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Es werden Posts vom Dezember, 2019 angezeigt.

Silvester

Heute beginnt der Tag schwierig und wird zügig schwieriger. Das herrliche Kind hat Kummer, vermisst den Papa und das große Kind, außerdem die Therme. Er will zurück nach Österreich. Ich auch. Irgendwie will ich das ja auch immer. Erstmal. Zurück-kommen ist ein Projekt. Jedes Mal. Zur Ablenkung und weil wir müssen, gehen wir einkaufen. Es ist ein Alptraum. Überall Menschen. Die Schlange beim Bäcker staut bis auf die Straße. Alle kaufen absurd glasierte Faschingskrapfen. Die sie "Berliner" nennen. Widerlich sind die. Offensichtlich ein Must Have.  Während wir in der Schlange anstehen, höre ich wie eine sehr norddeutsche, empörte Fussgängerin und ein sehr norddeutscher, sendungsbewußter Radfahrer sich gegenseitig maßregeln wegen Blockieren des Radweges beziehungsweise Fahren auf der falschen Seite. Und es fällt mir schwer, die Moral der Truppe hoch zu halten. Sage zum herrlichen Kind, etwas lahm im Ton, dass es doch wirklich schön ist Zuhause, dass es doch auf jeden F

Angekommen

Angekommen. Im Norden. Merkwürdig, wie immer, habe ich mich gefühlt auf dem Weg vom Flughafen zur Wohnung. Habe aus dem Fenster geguckt und versucht, mich heimisch zu fühlen. Habe mich nicht heimisch gefühlt. In Österreich sehe ich aus dem Fenster und bin am Zuhausesten. Wahrscheinlich eine Rührseligkeit. Ich habe dem herrlichen Kind ganz genau den Ablauf des heutigen Tages erklärt. Auch, dass wir als erstes aus dem Taxi steigen, der Vater dann das große Kind zu dessen Mutter bringt und dann in seine Wohnung zu den Katzen fährt. Das herrliche Kind hat "ok Mama" geantwortet. Ok. Ich hoffe, das ist es. Für ihn. Im Stiegenhaus vor unserer Wohnung sagt das Kind "Unser Hause!". Und ich kann besser atmen. Werde jetzt alles auspacken und aufräumen. Er hat nämlich Recht. Das hier ist unser Zuhause. Vielleicht nicht das einzige. Definitiv aber ein sehr gutes.

Vorletzter Tag

Das große Kind hat Magen Darm. Schläft viel, liegt im Bett. Sind vormittags zu dritt. Auch gut. Merke, wie mir der Thermen Trubel zu viel wird. Kann keine schlechten Tätowierungen auf teigigen Körpern in zu kleinen Badehosen mehr sehen. Es ist in Ordnung, morgen die Therme hinter uns zu lassen. Wir lernen einen weiteren Sohn der Partnerin meines Vaters kennen, ich mag ihn sofort. Wir reden viel miteinander heute. Der erste Austausch darüber, wie wir erwachsenen Kinder diese Beziehung und die Vervielfachung des Patchworks erleben. Das herrliche Kind taut auf, wird warm mit seinem Opa. Am vorletzten Tag. Es ist immer zu kurz. Morgen fliegen wir zurück. Reisetag. Ich bin nervös. Nicht weil wir fliegen. Sondern weil es schöne Ferien waren und ich befürchte, das Ankommen zu Hause könnte schwer werden für das herrliche Kind. Und wie immer will ein Teil von mir nicht weg aus Österreich. Trotz Hinterhof Hexenhaus. Werde ich niemals, nie, nie keine  Österreicherin mehr se

Fragen und sich erreichen

Dieser Wind. Die ganze Zeit geht der Wind hier. Immer sehr stark. Manchmal noch stärker, in Böen. Er bläst und treibt und heult und rauscht. Wie Meeresrauschen. Nur unregelmäßig. Immer Bewegung und Unruhe in der Luft. Es ist schön mit der Familie. Die schöne Godi, mein Bruder, ihre Jungs, meine fein gewebte Schwester. Wir sind miteinander so vertraut, knüpfen an aneinander wie zuletzt. Mühelos. Der herzvolle Vater und das große Kind gehören dazu. Es ist gut. Bewegen uns selbstverständlich miteinander. Die selbe Sprache. Das Rudel. Zum ersten Mal treffen wir uns hier. Mein Vater baut sich etwas auf, gemeinsam mit seiner Partnerin. Dieses Hotel. Ihr gemeinsames Projekt. Wir sind Gäste, sind eingeladen, werden verwöhnt. Alles ist da und alles ist für uns Kinder zugänglich. Es ist etwas ganz anderes. Ein Neuanfang für die Beiden. Wir sind Besuch. Nicht Teil davon. Irgendwann werde ich mein herrliches Kind irgendwo besuchen und nicht mehr Teil davon sein. Vielleich

Nachtrag

Wieder eingeschlafen mit dem Kind. Wir träumen beide viel. Ich träume wirr, emotional aufgeladen. Werde wach mitten in der Nacht. Draußen geht der Wind. Der Wind nimmt Anlauf und rüttelt die Bäume durch. Und nimmt wieder Anlauf. Ich habe das Gefühl, etwas vergessen zu haben. Bin unruhig. Bin müde. Will mich erinnern.

Zäsur

Ich denke darüber nach, woher mein Bedürfnis nach Rückzug kommt. Andere Menschen haben ein Kind und eine Beziehung. Haben mehrere Kinder und eine Beziehung. Haben Kinder, Beziehung, Affäre und Freundeskreis. Ich habe nur ein Kind. Auch einen sozialen Beruf, eine Familie. Ich habe auch Freunde. Aber nach 20 Uhr habe ich kein Bedürfnis mehr nach Menschen und Austausch. Möchte alleine sein. Möchte nicht lieber alleine sein, sondern bitte dringend unbedingt. Für mich sein. Ist das normal? Mein Lehranalytiker sagt, ich verarbeite gerade Enttäuschung, Ernüchterung. Sagt, ich erkenne ein Muster und habe noch keine Idee, wie es anders sein könnte. Und deshalb ist gerade gar nichts, ich wäre deshalb nicht offen, nicht ins Außen orientiert. Ich denke, ich verarbeite noch immer die Tatsache, dass ich Mama geworden bin. Oder besser das, was es mit mir gemacht hat. Ich sammel die Teilchen auf innerlich. Weil ich, wie ich war, mir selbst um die Ohren geflogen bin. Das Muster in m

Österreich ganz anders

Österreich. Ein ganz anderes Österreich als sonst. An der ungarischen Grenze. So viele Eindrücke heute. Das herrliche Kind hat eben wieder erbrochen, wir haben es rechtzeitig zur Dusche geschafft. Seit fast einer Woche erbricht er sich nachts oder am frühen Morgen, 1 bis 2 Mal. Tagsüber spielt er normal und isst er, wenn auch ein bißchen weniger als sonst. Kein Fieber. Vielleicht doch ein Virus. Oder die Aufregung? Aufregend ist es sehr, sehr. Sind geflogen und alles hat wunderbar geklappt. Ganz unkompliziert. Das herrliche Kind glücklich, weil wir alle zusammen sind. Das Kinderhotel übertrifft die Erwartungen. Es ist ein Traum. Spielen, baden, rutschen, herum rennen. Streichelzoo. Alpakas. Er war überwältigt. Ich bin überwältigt von den Eindrücken. Endlich die Familie wieder sehen nach 6 Monaten. Nach harten 6 Monaten. Und dieses Hotel kennenlernen, dieses Projekt. Eine neue Dimension Patchwork über die Kinder der Partnerin meines Vaters. Sie sind warmherzig, lus

Weihnachten

Unser erstes Weihnachten in "unserer Situation". Morgen früh fahren wir zum Flughafen und fliegen zu meinem Vater und seiner Partnerin an die ungarische Grenze, in deren Kinderhotel. Treffen dort meine Geschwister, fast alle kommen, auch meine Stiefmutter kommt. Großfamilie. Wir bleiben 6 Tage. Gott sei Dank. Das brauchen wir. Ich bin nervös, Flugmitkindnervosität. Wie immer. Es lenkt ein bißchen ab. Von meiner Ratlosigkeit. Ich weiß auch nicht. Morgens habe ich dem herzvollen Vater eine Nachricht geschickt, dass ich nichts schaffe. Dass ich Hilfe brauche. Jetzt. Gleich. Das Kind war überdreht, hat nach der Kakao Flasche Saltos im Bett gemacht und natürlich alles voll gekotzt. Ich wollte eigentlich die letzten Päckchen fertig machen, aufräumen, das Badezimmer putzen. Stattdessen habe ich das Bett frisch bezogen, alles gewaschen, frisch bezogen, das Kind gewaschen, frisch angezogen. Und ihn zwischendurch auf dem Arm gehabt, weil er so kippelig war in der Stimmu

Ich vermisse mich

Eingeschlafen mit dem herrlichen Kind. Was für ein Tag. Nichts geschafft. Bin hundemüde. Der herzvolle Vater kommt, wollte eigentlich mit dem Kind unterwegs sein, damit ich packen und aufräumen kann. Ist aber nicht mit dem Kind unterwegs. Ich schaffe nichts. Die Wohnung sieht aus wie ein Schlachtfeld. Nichts ist gepackt. Die Geschenke sind nicht fertig, ich werde wohl morgen Vormittag nicht zur Post gehen können und mindestens zwei Pakete erst nach Silvester verschicken. Kein Drama. Nicht das, was ich wollte. Mein Plan hat anders ausgesehen. Es ist nicht so, dass ich gar nichts tun kann neben dem herrlichen Kind. Das kann ich. Aber sobald wir zu dritt sind, kann ich deutlich weniger zu Ende bringen. Fast nichts. Zu dritt sein ist anstrengend. Das Kind wird maximal anhänglich und fordernd. Ich schaffe es nicht, ihn von mir ab zu montieren und ihn weinend abzugeben in meiner Freizeit, weil wir das oft genug durchmachen, wenn es sein muss, weil ich zur Arbeit gehe. Al

Leuchtet eben das Kind

Nachdem wir gestern den ganzen Tag und Abend zusammen waren, alle zusammen, ist heute Morgen nichts erledigt. Die To Do Liste. Liegt auf dem Küchentisch. Guckt vorwurfsvoll. Wir gehen am Vormittag trotzdem in den Zoo. Mit dem besten Freund vom herrlichen Kind und dessen Mama, der Lieben. Es ist eine Freude die Kinder zusammen zu sehen. Es ist so angenehm und unkompliziert und vertraut mit den beiden, als wären wir aus einem Stall. Mittags liege ich neben dem herrlichen Kind auf dem Bett und versuche mich zu sortieren. Ich muss bügeln, 4 Maschinen Wäsche waschen, den Koffer packen, Kekse backen, Geschenke fertig verpacken. Möchte Karten schreiben. Muss staubsaugen, das Badezimmer putzen. Altpapier weg bringen. Bügeln. Was zuerst? Was nehme ich bloß mit? Was soll ich eigentlich anziehen? Ich sehe überhaupt furchtbar aus. Zerknittert und fahl und gar nicht leuchtend. Muss also unbedingt auch noch mich renovieren. Ich bleibe liegen, neben mir schläft das Kind. Ich fi

Ferien

Um 5.30 wacht das herrliche Kind auf und sagt, "ich nicht Kindergarten, Ferien; Mama nicht Aibait, Ferien". Und dann sagt es noch, dass es heute Geburtstag hat. Ich soll singen. Ich singe also Geburtstagslieder und er klatscht dazu. Wir stehen auf, pünktlich gegen 6 Uhr, immerhin ist Wochenende, machen Kakao und Kaffee und ich lasse uns die Badewanne ein. Wir sitzen im Schaumbad mit unseren Getränken, den Löwen und Dinosauriern und waschen uns gegenseitig die Haare. Das ist notwendig. Es tut gut. Und noch etwas ist unfassbar gut. Ich habe kaum noch Schmerzen. Es ist wirklich wie ein Wunder für mich. Dass etwas so weh tun kann und dann über Nacht offenbar beginnt zu heilen. 5 Stunden Schlaf reichen irgendwie, weil ich mich besser fühle. Frühstücken geht. Zähne putzen tut kaum weh. Das Leben ist schön. Der herzvolle Vater kommt und zwar gleich morgens. Wir trinken Kaffee. Beschließen, zusammen in die Stadt zu gehen. Trotz Einkaufssamstag. Wir besorgen dem

Uhu nach dem Waldbrand

14 Stunden Psychiatrie an einem Freitag vor Weihnachten. Ich komme nach Hause und fühle mich und sehe aus wie ein Uhu nach dem Waldbrand. Das Kind schläft, alles in Ordnung. In der Küche herrscht Chaos, aber egal. Mach ich morgen. Als ich ins Bett gehen will, höre ich das Kind so merkwürdig schmatzen. Bin bei ihm, als er anfängt sich zu übergeben wie in einem Comic. In meine Haare, auf meinen Rücken, in seine eigenen Haare, ins Bett, auf den Boden, in die Badewanne. Alles ist voll. Alles. Ich putze uns notdürftig ab. Schmeiße alles in die Badewanne. Spüle notdürftig ab. Wickel ihn in ein Handtuch und lege ihn zu mir in mein Bett. Meine Güte, was stinken wir. Morgen werde ich beide Betten komplett abziehen, den Handtuchberg in der Wanne auskochen. Seine Haare waschen und meine. Jetzt werde ich einfach ein paar Stunden schlafen. Hoffentlich. Hoffe, es ist kein Magen Darm Virus. Fürchte, es ist ein Virus. Uhu nach dem Waldbrand von einem Lastwagen überfahren. Unt

Eine Spur besser

Es geht mir eine Spur besser heute. Ich nehme alle Vitamine der Welt und Lysin und Ibuprofen zum Frühstück. Es gibt Toast mit Butter. Mein Toastbrot weiche ich im Kaffee auf. Ich finde es gibt nicht viele Dinge, die vergleichbar graußlich sind. Zermatschtes Brot. Ein Unding. Muss an mein Praktikum im Altenheim denken, das ich vor ewigen Zeiten im Studium gemacht habe. Eine meiner Aufgaben war es die Bewohner morgens zu fütter, die nicht mehr selbst essen konnten. Und viele wollten, warum auch immer, dass ich ihnen die Semmel im Kaffee zergatsche. Und ihnen diesen Gatsch dann mit dem Löffel in den Mund schiebe. Kurz danach habe ich das dann wieder zwischen Kiefer und Zahnprothese raus geputzt. Daran denke ich. Esse trotzdem. Sonst geht's nicht. Ich habe das Gefühl, es tut weniger weh. Kein neuer Defekt dazu gekommen. Immerhin. Nur ein einzelnes Dings. Ich arbeite wenig produktiv. Wollte heute eigentlich nur dokumentieren. Muss doch Patienten sehen. Tausend Kleinig

bin lahmgelegt

Ich kann nichts Hartes essen. Nichts, was bröselt im Mund, was spitz oder kantig oder knusprig ist. Kein Obst, keinen Saft. Nichts Festes. Das untere Zahnfleisch pulsiert, pocht. Die ganze Unterlippe brennt. Es tut sehr weh. Es gibt also Trinkjoghurt. Später am Tag einen Pudding. Viel Tee mit Milch. Die Unterlippe ist geschwollen. Dieses Dings ist linsengroß. Schafft es trotzdem, dass ich mich krank fühle. Ich möchte einfach nur zu Hause sein. Nicht reden müssen, das tut auch weh. Keine großen Strecken laufen. Kein Zeitdruck. Das schaffe ich ohne Essen nicht. Bin irgendwie mit allem überfordert heute. Hungrig und doch nicht hungrig und geschwächt. Würde heute am liebsten das Weihnachtsabendessen mit M., unserem ehemaligen Nachbarn absagen. Ist mir zu viel, jetzt schon, eine Woche vorher. Möchte einfach nur Bescherung mit den Kindern und dem herzvollen Vater nachmittags, dann Würschtlsuppe essen und ab ins Bett. Heute könnte ich unmöglich essen und trinken oder rede

Aphten

Ich habe eine offene Stelle im Mund am Zahnfleisch. Schon wieder etwas Neues, Merkwürdiges. Scheußliches. Solche Stellen heißen Aphten. Ein adäquat scheußliches Wort. Ich hatte so etwas noch nie. Bin überrascht, wie weh das tut. Lese nach, wie das zustande kommt. Auslöser sind unter anderem "kleine mechanische Verletzungen wie zum Beispiel schlecht sitzender Zahnersatz" oder "mangelnde Mundhygiene" steht da. Bitte was? "Schwankender Hormonhaushalt, psychische Belastung, geschwächtes Immunsystem". Aha. Ok. Ich kaufe in der Apotheke eine Monatspackung Immunaufbau. Täglich ein kleiner Beutel mit Tabletten und Kapseln, in denen Eisen und Vitamin C und B und D und Zink und Folsäure und vieles mehr drinnen steckt. 5 Tabletten jeden Tag. Ich finde, Hornhaut und ein Ganglion sind das Eine. Das ist seltsam und unnötig und schreit laut "Altern" und dass sich meine Telomere verkürzen. Aber. Eine so unglaublich schmerzhafte offene Stelle im Mund

Müde

Ich bin müde. Müdemüdemüde. Um 5 Uhr morgens endet die Nacht. 6 Therapie Gespräche in 6 Stunden. Mein Kopf tut weh, mein Hals tut weh. Ich bin durcheinander und erschöpft. Sitze im Bus um das herrliche Kind abzuholen und kämpfe mit Kreislauf Problemen. Es ist voll und stickig. Müsste noch einkaufen. Kind, Bobbycar, Einkäufe. Es kommt mir unmöglich vor. Nicht zu machen. Wünschte, mein Papa würde mich abholen. Mit dem Auto. Lustig. Könnte mir auch den Ritter auf dem weißen Pferd wünschen. Ist mir aber zu anstrengend. Kein Ritter. Der herzvolle Vater hat das Kind schon abgeholt, treffen auf der Straße aufeinander. "Ich habe doch frei." sagt er. "Es ist heute besonders viel zu tragen", sagt er, "gleich 2 Gefährte aus dem Fuhrpark vom Kind waren im Kindergarten." Ich bin sehr erleichtert. Sage es ihm, dass ich gar nicht gewusst hätte, wie alles nach Hause schaffen. Und dass ich mich komisch fühle. Er geht für mich einkaufen, während das

Bitte so

Morgens gegen 5 Uhr beginnt der Tag, das herrliche Kind wacht hysterisch auf, heult, schreit, steht im Bett, ich verstehe kein Wort, verstehe die Aufregung nicht, schon gar nicht meinen Auftrag. Bin total erschrocken. Stolpere mit dem Kind auf dem Arm ins Badezimmer, halte ihn über die Badewanne. Aber er muss sich nicht erbrechen. Heult. Zeigt auf mich, auf sich. Keine Ahnung, worum es ging. Ich bin irgendwann sicher, er weiß es auch nicht. 5.04 Uhr und da stehen wir. Ich habe vor vier Stunden zuletzt auf die Uhr geguckt, ein Nachbar hat Geburtstag gefeiert. Innerlich war ich voll dabei beim Mitsingschreien. Äußerlich habe ich in der Shopping-App Klamotten in den Warenkorb gelegt, lauter schicke Dinger, die ich mir nie kaufen werde, weil zu teuer. Aber das Aussuchen befriedigt auch ein bißchen. Jedenfalls habe ich nur 4 Stunden geschlafen, die zweite schlechte Nacht in Folge und ich bin müde und verzweifelt. Ein Wintersonntag um kurz nach 5 Uhr morgens. Viel einsamer kann Mama

Alles falsch gemacht

Alles falsch gemacht heute Vormittag. Schon wieder alles falsch gemacht. Es gibt die gelungenen Versionen von uns als 3er Kernfamilie und es gibt die, die komplett daneben gehen. So wie heute Vormittag. Ich liege neben dem herrlichen Kind im Bett, es schläft, völlig erschlagen vom Toben. Meine Arme zittern, Muskelzittern, ich fühle mich wie nach einem 6 Stunden Käfigkampf. Wir haben nachts nicht besonders gut geschlafen. Das herrliche Kind hat viel geredet im Schlaf, viel gepupst. Ich war jedes Mal wach und länger als nötig wach. Um 6 Uhr sind wir aufgestanden, ich müde, unscharf orientiert, er maximal grantig. Eine kleine Auflockerung der Stimmung beim Frühstück machen. Das Kind rührt Zimt und Kardamom in den Apfelhaferbrei und ist sehr stolz. Sagt "ich koche". Sagt dann "Papa zeigen!", was bedeutet, ich darf die Küche nicht aufräumen. Ausgemacht war wieder das fatale "gleich morgens" mit dem herzvollen Vater - in meiner Wahrnehmung nun wochen

Zuhause

Wir bleiben heute zu Hause. Das herrliche Kind und ich. Drehen vormittags eine kleine Runde. Es ist sehr windig und sehr kalt. Bleiben den restlichen Tag zu Hause. Essen. Kochen. Schlafen mittags beide, zweieinhalb Stunden lang. Backen Kekse. Gucken ein bißchen zu viel fern. Laufen ums Sofa, 380 Mal. Das Kind badet 2 Mal. Das haben wir gebraucht. Geht besser jetzt. Es lag heute morgen etwas in der Luft. Erschöpfung. Angeschlagen sein. Bei beiden. Jetzt geht es besser. Ein Tag ohne uns sozusagen. Burn Out Prophylaxe. Wellness fürs Immunsystem.

Regentonne

Das herrliche Kind will im Mama Bett schlafen. Selten genug, dass er das sagt - ich freue mich. Genug Platz von Anfang an. Nur noch schnell die Wäsche aufhängen und seine Fingernägel schneiden, das geht gerade nur wenn er schläft. Und dann Ruhe. Und Kuscheln. Ich gucke neben ihm im Bett auf dem Handy ganz leise Clips an von kleinen Kindern, die in Talent Shows auftreten und mit unglaublichen Stimmen wahnsinnig emotionale Songs singen und die Juroren zum Weinen bringen. Keine Ahnung warum. Ich weine mit. Kann gar nicht aufhören. Die Tränen fließen, als ob in mir eine riesige Regentonne, randvoll mit Rührung und großen Gefühlen, ausgekippt würde. Meine Haare und das Kopfkissen sind ganz nass. Kann gar nicht aufhören. Keine Ahnung warum. Was da los ist, frage ich mich. Das herrliche Kind und ich haben den Tragesack gefunden. Wir drei, das Tragedings, das herrliche Kind und ich, waren unzertrennlich in den ersten 14 Monaten. Immer und ausschließlich so bin ich mit ihm los

Dienstmittwoch

Notaufnahme Dienst. Es ist wie im Krieg, sagen wir, ohne zu wissen wie der Krieg ist. 114 Patienten sind gleichzeitig in der Notaufnahme. Wir wissen nicht genau, was das geplante Maximum ist. Aber 114 Patienten bedeutet, es gibt kein einziges Bett mehr, keine freie Matratze. Der Flur ist überbelegt. Um kurz vor 22 Uhr bin ich zu Hause. Der herzvolle Vater ist da. Ist gut gelaunt. Seine vorletzte Prüfung war heute. Er ist gelöst. Schenkt mir einen riesigen Dauenmantel. Lange, warm, mit Kapuze. Wie eine Bettdecke to Go. Ich hatte den Mantel in der Auslage gesehen, in der Nähe der Kita. Hatte erwähnt, dass ich so einen Mantel bräuchte, sonntags um 7.30 Uhr im nasskalten Winter, wenn das herrliche Kind Bobbycar fährt und ich müde und frierend hinterher laufe. Und jetzt schenkt er ihn mir, weil er an irgendeiner Stelle Geld gespart hat. Ich freue mich. Ich schimpfe mit ihm. Wir dürfen nicht. Geld ausgeben. Freue mich sehr. Ich verschwinde in diesem Mantel und bin verpackt in

Wütend bin ich

Das Kind schläft noch immer nicht und ich bin so wütend, dass ich hier sitzen muss, das Einschlafen begleiten muss seit 1,5 Stunden, ich könnte ausflippen. Ich möchte jetzt endlich in Ruhe duschen und alleine sein. Ich will endlich meine freien Stunden, verdammt nochmal. Morgen habe ich Dienst und ich brauche jetzt eine Pause! In Situationen wie dieser hasse ich es. Das ständige Warten, Zurückstecken, Begleiten von. Immer da sein für. Kein Verlass auf die Pausen. Ich will jetzt für mich da sein. Eine Stunde wenigstens. Ich bin so wütend.

Schlafe ein

Schlafe ein mit dem herrlichen Kind. Wieder. Um kurz nach 22 Uhr werde ich munter, hänge die Wäsche auf, räume den Geschirrspüler aus. Übertrage dann noch in Ruhe und Frieden und absoluter Stille Termine in den neuen Kalender 2020. Ich liebe es, den neuen Kalender anzufangen. Sitze eine Stunde am Küchentisch. Es ist ganz ruhig, nichts zu hören im Hinterhof heute. Denke, ich sollte immer nachts Organisatorisches machen. Bin so konzentriert. Heute war ich nochmal beim Coaching. S. ist auch unsere Fallsupervisorin. Habe mit dem Teamleiter besprochen, dass kein Interessenskonflikt entsteht, wenn ich mich ab und an bei ihr melde wegen Anliegen rund um die Erziehung, das Kind. S. ist so absolut kristallklar, liebevoll, strukturiert. Lustig dabei. Ich bin eine wirbelnde Masse an Fragen und widersprüchlichen Antworten, Unsicherheiten und Bedürfnissen. "Was verunsichert dich so?" fragt S. "Sei mutiger, bleib bei deiner Linie." Was verunsichert mich so. Ich frag

Der Nikolaus war da

Der Nikolaus war da. Und der herzvolle Vater hat Geburtstag gefeiert. Mit uns allen. Das große Kind war da, der beste Freund vom herrlichen Kind und seine Eltern, die Lieben. I., meine Kollegin und ihr Mann waren da. Ihr Mann war der Nikolaus. Und ehemalige Nachbarn waren da, Freunde. Die Wohnung war voll, ich habe sehr viel Essen auf den Tisch gestellt. Die Kinder waren entspannt, haben gespielt. Alle waren heute so aufgeräumt, so miteinander. Mein herrliches Kind ist gesprungen und gerannt, hat geleuchtet. Und ich auch. Es war ein wunderbarer Tag. Ich bin sehr müde und sehr froh. Kann es gerade gar nicht in Worte fassen. Bin sehr gerührt. Ein Stück eigene Kindheit und Zuhause ist heute zur Wirklichkeit und Kindheit meines herrlichen Jungen geworden. Genau so, wie es sein soll. Eine Tradition. Ein Stück vom Guten. Mein Herz ist sehr voll. Beim Schlafengehen sage ich zum herrlichen Kind, "der Nikolaus war heute da, und wer noch?" - und er antwortet "Der P

Winterschlafsamstag

Regen und Wind und Grau in Grau. Der Samstag ist eine Scheußlichkeit wettertechnisch. Ein Bettwetter. Ein Wetter um im Bett zu bleiben und eine Serie durchzugucken, stundenlang, bis man den Bezug zur Realität verliert. Schnürlregensamstag. Ich bin irgendwie wackelig auf den Beinen. Mein Blutdruck ist niedrig. Ich habe keinen Appetit. Mag nicht essen. Wir absolvieren unser Samstag Programm.  Einkaufen, Bobbycar fahren, Wintermantel von der Reinigung abholen, Altpapier weg bringe. Ich fühle mich ein bißchen wie ein Gespenst heute. Auch das herrliche Kind ist blass. Wir geistern durch den Vormittag. Alles läuft an uns vorbei, kein richtiger Kontakt heute zur Welt. Zuhause dann weiter im Text, kochen, essen. Ich esse kaum. Mir ist überhaupt nicht nach essen. Als er zu Mittag schläft, mache ich weiter mit aufräumen, Wäsche waschen und aufhängen, staubsaugen, Boden feucht wischen, Bad putzen, Küche putzen. Schwindelig ist mir, irgendwie taub. Fühle mich nicht speziell schlecht,

Nikolaus

Weil heute Nikolaus Tag ist und weil ich mich so auf die Weihnachtszeit freue, hole ich heute unseren Christbaum. Und am Nachmittag stellen das herrliche Kind und ich den Christbaum auf. Und schmücken ihn. Weil Shabbat ist, hole ich ihn schon kurz nach 14 Uhr. Freitag ist eigentlich Papa-Nachmittag und ich arbeite länger, aber der herzvolle Vater hat nächste Woche die erste große Abschluss Prüfung. Deshalb übernehme ich heute. Wir schmücken den Baum und als wir fertig sind, mache ich ein Video mit dem Handy, für den herzvollen Vater. Das machen wir immer so, schicken uns kleine Videos vom Tag, damit der andere weiß was so los ist. Ich filme den Baum und frage das herrliche Kind "was ist das, was haben wir heute gemacht?". Und es antwortet "Sandburg". Unser Christbaum ist einen Kopf kleiner als ich und wunderschön. Ich habe noch nie so früh einen geschmückten Baum im Wohnzimmer gehabt. Es ist wunderschön. Es ist, wie wir es machen. Übermorgen kommt der N

Das Grauen

Nachts werde ich wach. Sehr wach. Gehe in die Küche. Trinke Milch aus der Packung. Stehe vor meinem Küchentisch. Setze mich an den Küchentisch und schreibe eine Liste. Besser gesagt, ich möchte eine Liste schreiben. Mit den Namen der Patienten, die sich das Leben genommen haben. Eine Liste meiner toten Patienten sozusagen. Ich schreibe ganz oben auf den Zettel den Namen des ehemaligen Patienten, von dessen Tod ich gestern erfahren habe. Und dann habe ich das erste Black Out meines Lebens - ich weiß nicht, wie die anderen geheißen haben. Obwohl jeder einzelne. Jeder Patient. Jeder Name. Jede Geschichte. Absolut unvergesslich sind. Mich prägen. Seither. Immer. Es sind 6 Menschen. 6 Katastrophen. Ich habe gestern Nacht das Gefühl diese Liste zu brauchen. Um es zu überblicken. Sitze eine Weile. Kriege es nicht zusammen. 25 Menschen nehmen sich in Deutschland jeden Tag das Leben. Weltweit alle 40 Sekunden einer. Durchschnittlich betrifft jeder Suizid 60 andere Menschen. Fami

Man kann niemanden gesund lieben

In der Teamsupervision wird beschlossen, dass eine meiner Patientinnen 3 Monate Therapie Pause verordnet bekommt. Als Konsequenz. Weil sie die Abmachungen nicht eingehalten hat. Die grundsätzlichen Vereinbarungen, die mit ihr getroffen wurden. Konkret, die Teilnahme an der Gruppe. Das gehört dazu. DBT heißt Gruppe und Einzeltherapie. Nachvollziehbar ist das für mich natürlich schon. Das Einhalten der Regeln, das Verbindliche an den Abmachungen. Ist für die Patienten essentiell. Um Sicherheit zu haben, eine Klarheit, eine Struktur im Außen. Ich möchte aber mit ihr arbeiten. Sie möchte das auch, glaube ich. Ich möchte sie nicht 3 Monate nicht sehen. Und schon gar nicht möchte ich, dass sie abbricht. Ich hadere mit der Situation. Morgen muss ich es ihr sagen. Therapiepause also. Im März dann ein Treffen mit dem Team. Dann hat sie die Chance das Team zu überzeugen, wie sie es schaffen kann. Die Gruppe. Oder sich die Hilfe zu holen, die sie braucht, um die Gruppe durchzuhalten. Die Su

Schon wieder eingeschlafen

Ich bin schon wieder eingeschlafen mit dem herrlichen Kind, gegen 20 Uhr. Wache auf um halb 1 Uhr nachts. Die Kontaktlinsen kleben in meinen Augen fest, die Wimperntusche ist verschmiert, die Küche sieht aus wie ein Schlachtfeld und in der Wohnung steht der Geruch nach Käsespätzle mit Zwiebeln. Ich wasche mich, räume auf. Kein Abend für mich. Momentan reicht die Kraft nicht. Fühle mich gar nicht so kraftlos. Tagsüber. Aber kann nicht wach bleiben abends. Gestern schon. V., meine beste Arbeitsehefrau war abends hier. Rotwein haben wir getrunken, uns erzählt was los ist. Haben uns lange nicht gesehen. Haben uns doch das ganze letzte Jahr jeden Tag gesehen. Schön war das, sehr vertraut. Trotz Kater-Kopf heute. Gestern Abend, beim Kind-Hinlegen, habe ich noch gedacht, dass ich zu müde bin und mir abends einfach wirklich, wirklich nichts ausmachen kann derzeit, keine Energie dafür und keine Reserven was das Alleine-Sein angeht. Die Alleine-Stunden sind heilig abends. Habe ich

Gehirnstoffwechsel

Ich weiß jetzt, wer für unser finanzielles Schlamassel noch verantwortlich ist. Ich. Leider. Ich bin eine Katastrophe. Herr D., unser Bank-Mann hat nicht ohne Grund so merkwürdig tadelnd und von oben herab mit mir gesprochen. Ich bin eine KATASTROPHE. Wochengeld Limit ist gesetzt, von Samstag bis Samstag. Heute ist Sonntag und zu Mittag habe ich das Budget zu 200 Prozent ausgeschöpft. Ein Einzelfall heute, unglückliche Umstände, eine Verkettung. Ja. So ist das aber oft. Weil ich das Geld nicht zusammen halten kann. Lieber gebe ich es aus und gebe es her und denke an etwas anderes. Das wird ein langer Weg. Geben ist meine Stärke. Geben ist scheinbar mein Problem. Es ist verwirrend. Mein Lehranalytiker sagt, ich pathologisiere momentan alles. An mir. Zerlege mich. Bin schrecklich wertend, abwertend. Kann mir nicht vorstellen, dass es so, wie es ist, in Ordnung ist. Dass ich in Ordnung bin. Naja. Ja. Stimmt. Aber irgendwie zurecht. Die Finanzen sind nicht i

Nachtrag 1.12.

Nachtrag 1.12.: Samstag und Sonntag Abend schlafe ich um 8 Uhr abends mit dem herrlichen Kind. Tief und fest. Mit Unterbrechungen. Und doch in der Summe 10 Stunden. Heute morgen, Montag, erkenne ich mich zum ersten Mal seit gefühlt 1997 im Spiegel wieder. Ich bin nicht mehr müde. Ich bin wach. "Hallo Welt! Hallo Elefanten!" Wie das herrliche Kind zu sagen pflegt.