Weihnachten

Unser erstes Weihnachten in "unserer Situation".

Morgen früh fahren wir zum Flughafen und fliegen zu meinem Vater und seiner Partnerin an die ungarische Grenze, in deren Kinderhotel.
Treffen dort meine Geschwister, fast alle kommen, auch meine Stiefmutter kommt. Großfamilie.
Wir bleiben 6 Tage.
Gott sei Dank.
Das brauchen wir.
Ich bin nervös, Flugmitkindnervosität.
Wie immer.
Es lenkt ein bißchen ab.
Von meiner Ratlosigkeit.
Ich weiß auch nicht.

Morgens habe ich dem herzvollen Vater
eine Nachricht geschickt, dass ich nichts schaffe. Dass ich Hilfe brauche. Jetzt. Gleich.
Das Kind war überdreht, hat nach der Kakao Flasche Saltos im Bett gemacht und natürlich alles voll gekotzt. Ich wollte eigentlich die letzten Päckchen fertig machen, aufräumen, das Badezimmer putzen.
Stattdessen habe ich das Bett frisch bezogen, alles gewaschen, frisch bezogen, das Kind gewaschen, frisch angezogen. Und ihn zwischendurch auf dem Arm gehabt, weil er so kippelig war in der Stimmung.
Der Vater hat geantwortet, er versorgt noch die Katzen und wischt den Boden in seiner Wohnung und kommt dann. Dann gleich.
Und ich habe mir gedacht, genau das ist der Unterschied.
Zwischen ihm und mir.
Wahrscheinlich zwischen vielen Vätern und Müttern.
Die Unterstützung kommt dann gleich, wenn der eigene Kram erledigt ist, wenn es geht, wenn es passt. Ihm.

Ich habe ja entschieden so zu leben.
Deshalb werde ich mich nicht beklagen darüber, dass ich viele Alltagsdinge selber mache.
Es ist frustrierend, weil ich um Hilfe gebeten habe. Zum dritten Mal in 4 Tagen.
Und mir dann wieder selber helfe.
Ich putze, ich beginne zu packen und das Kind spielt um mich herum mit seinen Löwen und Dinosauriern.
Es geht.
Natürlich. Ich werde alle viereinhalb Minuten vom Kind unterbrochen.
Es geht auch so.

Der Vater kommt und ich reiße mich zusammen.
Klären wir irgendwann, nicht heute. Es ist Weihnachten. Das herrliche Kind hat nur uns. Keine Großfamilie hier heute. Unsere Stimmung zählt.
Ich mache Kaffee. Wir besprechen, was noch zu tun ist.
Die Geschenke einpacken.
Den Koffer packen.
Aufräumen.
Zur Post gehen.

Auf dem Weg zur Post sagt der Vater, "wir brauchen eine Strategie".
Er sagt, "du hast um Hilfe gebeten, du hast seit 4 Wochen keine zwei Stunden für dich gehabt. Das liegt nicht an meiner fehlenden Bereitschaft, auch nicht am Kind und seiner Anhänglichkeit, auch nicht an dir, sonder daran, dass wir anfangen zu eiern, wenn das Kind in Abschiedssituationen verweigert."
Ich bin sehr erstaunt. Nicke.
Der Vater sagt, "du brauchst auch mal Pause. Ab jetzt gehen wir das anders an. Klar. Und ziehen es durch. Wenn ich ihn übernehme, übernehme ich."

Und das ist mein Weihnachtsgeschenk.
Dass er das sieht und anspricht.
Ohne ein böses Wort von mir.

Am Nachmittag dann wird klar, die Mutter vom großen Kind hat in letzter Sekunde den Plan geändert. Das große Kind wird heute nicht kommen.
Wir sind zu dritt.
Unmöglich finde ich das.
Immer wieder macht sie das. Machtdemonstration oder Gedankenlosigkeit. Keine Ahnung.
Das herrliche Kind ist enttäuscht.
Wir zünden Sternspritzer an am Baum, packen seinen Zug gemeinsam aus, bauen auf. Das Kind freut sich, bleibt doch verhalten.
Wir sind nur zu dritt.
Es ist auch irgendwie - merkwürdig.
Wir essen, trinken Cremant, spielen. Es ist alles gut.
Und bleibt doch irgendwie - merkwürdig.
Ein Rudel wäre jetzt gut. Großfamilie, Freunde.
Und wir brauchen unser Weihnachtsritual. Darüber sprechen wir.
Wie wir es machen wollen. Nächstes Jahr. Ab jetzt. Wie unser Weihnachten für das Kind und uns aussehen soll.
Vielleicht ist auch nur ein Baum und Geschenke zu wenig.
Es braucht mehr Rahmen. Religion.
Ritual. Menschen.

Alles ist neu. Anders.
Ich weiß, es muss so sein wie es heute eben war, wenn man nicht lügen und vertuschen will. Ein Herantasten. Ein erster Versuch.
Gemeinsam ein bißchen ratlos, immerhin gemeinsam.

Morgen fliegen wir zu viert und zur Großfamilie.
Das brauchen wir jetzt.
Ich freue mich.
Koffer ist fertig gepackt. Mit irgendwas.
Egal.
Hauptsache Rudel.




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