Silvester
Heute beginnt der Tag schwierig und wird zügig schwieriger.
Das herrliche Kind hat Kummer, vermisst den Papa und das große Kind, außerdem die Therme. Er will zurück nach Österreich.
Ich auch. Irgendwie will ich das ja auch immer. Erstmal.
Zurück-kommen ist ein Projekt. Jedes Mal.
Das herrliche Kind hat Kummer, vermisst den Papa und das große Kind, außerdem die Therme. Er will zurück nach Österreich.
Ich auch. Irgendwie will ich das ja auch immer. Erstmal.
Zurück-kommen ist ein Projekt. Jedes Mal.
Zur Ablenkung und weil wir müssen, gehen wir einkaufen. Es ist ein Alptraum. Überall Menschen. Die Schlange beim Bäcker staut bis auf die Straße. Alle kaufen absurd glasierte Faschingskrapfen. Die sie "Berliner" nennen. Widerlich sind die. Offensichtlich ein Must Have.
Während wir in der Schlange anstehen, höre ich wie eine sehr norddeutsche, empörte Fussgängerin und ein sehr norddeutscher, sendungsbewußter Radfahrer sich gegenseitig maßregeln wegen Blockieren des Radweges beziehungsweise Fahren auf der falschen Seite. Und es fällt mir schwer, die Moral der Truppe hoch zu halten. Sage zum herrlichen Kind, etwas lahm im Ton, dass es doch wirklich schön ist Zuhause, dass es doch auf jeden Fall mild und sonnig ist. "Nicht schön" antwortet das Kind und mir fällt nichts mehr ein.
Wir kommen nirgendwo voran. Es gibt kein freies Einkaufsauto-Wagerl im Supermarkt. Es ist ein Geschiebe, Gedränge. Wir Unglücksraben mittendrin. Das Kind bockt, blockiert, liegt quer auf dem Boden im überfüllten Laden und ich liege innerlich daneben. Schaffe ihn nach Hause. Der herzvolle Vater sagt, er übernimmt das Einkaufen und bringt die Sachen vorbei.
Gott sei Dank.
Die beiden freuen sich riesig sich zu sehen. Ich freue mich mit. Wir trinken Kaffee zusammen. Besprechen den Plan für morgen, ich habe den Neujahrs-Dienst von 8 bis 20.00 Uhr.
Gott sei Dank.
Die beiden freuen sich riesig sich zu sehen. Ich freue mich mit. Wir trinken Kaffee zusammen. Besprechen den Plan für morgen, ich habe den Neujahrs-Dienst von 8 bis 20.00 Uhr.
Dann lege ich das Kind ins Bett, Mittagsschläfchen, und lege mich dazu, schnuppere an seinem Köpfchen. Döse ein bißchen.
Denke nach, ob ich die letzte Dekade in einen Satz packen kann. Meine Mama-Komplizin B. kann das. Hat mir ihren Satz aber nicht verraten.
Ich glaube, im ersten Zweitausender-Jahrzehnt habe ich mir Wissen und überspannte Vorstellungen und Erwartungen von mir und der Welt an sich angeeignet.
Und im zweiten habe ich die mühsam abgelegt.
Habe gearbeitet, noch mehr gearbeitet. Mich abgearbeitet. Mich an mir abgearbeitet, im Krankenhaus, an Männern, an mir. Und wieder und wieder an mir.
Ganz am Ende dieser zweiten Zweitausender Dekade bin ich erwachsen geworden. Neu lerne ich Bindung und Nähe und bedingungslos Lieben mit dem Kind (außerdem das Durchhalten), lerne Verantwortung übernehmen und Zusammenhalt mit dem herzvollen Vater und Abgrenzung und Struktur mit den Patienten.
Und was mich selber angeht lerne ich, dass ich etwas anderes brauche und will.
Als.
Naja, als bisher eben.
Denke nach, ob ich die letzte Dekade in einen Satz packen kann. Meine Mama-Komplizin B. kann das. Hat mir ihren Satz aber nicht verraten.
Ich glaube, im ersten Zweitausender-Jahrzehnt habe ich mir Wissen und überspannte Vorstellungen und Erwartungen von mir und der Welt an sich angeeignet.
Und im zweiten habe ich die mühsam abgelegt.
Habe gearbeitet, noch mehr gearbeitet. Mich abgearbeitet. Mich an mir abgearbeitet, im Krankenhaus, an Männern, an mir. Und wieder und wieder an mir.
Ganz am Ende dieser zweiten Zweitausender Dekade bin ich erwachsen geworden. Neu lerne ich Bindung und Nähe und bedingungslos Lieben mit dem Kind (außerdem das Durchhalten), lerne Verantwortung übernehmen und Zusammenhalt mit dem herzvollen Vater und Abgrenzung und Struktur mit den Patienten.
Und was mich selber angeht lerne ich, dass ich etwas anderes brauche und will.
Als.
Naja, als bisher eben.
Ich würde sagen, die zweite Dekade war eine grandios gefeierte, durchtanzte und zelebrierte Phase, ich war herrlich großspurig, naiv, glühend, neugierig, bin mit Pauken und Trompeten gescheitert, aber oft Gott-Sei-Dank-Gescheitert, auf lange Sicht.
Habe festgestellt, dass ich noch stehe. Zumindest immer wieder aufstehe.
Sehr früh. Jeden Tag.
Na gut.
In einen Satz kriege ich das nicht.
Egal. Wie auch immer.
In einen Satz kriege ich das nicht.
Egal. Wie auch immer.
Meine löwenbeherzte Schwester kommt mit ihren Kindern am Nachmittag und spontan entscheiden wir, sie bleibt über Nacht. Sie war eigentlich auf der Durchreise. Aber wir bleiben heute zusammen.
Es klappt gut mit den drei Kindern, auch wenn das herrliche Kind an seine Grenzen kommt, mehrfach. Wir gucken das Dschungelbuch, essen viel, trinken ein Glas Cremant.
Es klappt gut mit den drei Kindern, auch wenn das herrliche Kind an seine Grenzen kommt, mehrfach. Wir gucken das Dschungelbuch, essen viel, trinken ein Glas Cremant.
Um 20 Uhr schlafen alle Kinder.
Draußen knallt das Volk seine Begeisterung in die Nacht.
Wir sitzen mit den Haribos in der Küche und sind beide gemeinschaftlich am je eigenen Telefon. Unsere Version schwesterlichter Vertrautheit. Es ist schön, dass sie da sind.
Rudel.
Familie.
Macht es heute leichter.
Morgen ist 2020 und Mittwoch und es beginnt sowas wie ein sehr früher Frühfrühling in meinem Kopf. Weil es Richtung Sommer geht, sobald die Feiertage geschafft sind.
Geschafft.
Das ist mein Gefühl jetzt.
Sitze im Bett.
Habe es geschafft, mir heute die Haare zu waschen. Die Feiertage sind geschafft. 2019 ist geschafft.
Gut so.
Kann jetzt weg. Das alles.
Das ist mein Gefühl jetzt.
Sitze im Bett.
Habe es geschafft, mir heute die Haare zu waschen. Die Feiertage sind geschafft. 2019 ist geschafft.
Gut so.
Kann jetzt weg. Das alles.
Ich bin bereit für Kaffee und Kakao morgen früh und die neue Dekade.