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Das Leben einer Königin

Um 21 Uhr wird das Kind plötzlich unruhig. Ein kleiner Unfall, weil erste Nächte mit ohne Windel. Ich bin noch mit den Laken beschäftigt und der nassen Decke, da sitzt  das Kind plötzlich weinend im Bett. Es schreit, schluchzt. Das Ohr tut weh.  Ich versuche die Nasentropfen ins Kind rein zu kriegen. Wenn man so weint, geht das nicht so einfach. Kinder Ibu aus der Küche holen. Will er nicht nehmen. Kinder Ibu auflösen. Will er nicht trinken. Trinkt er dann doch. Weint, jammert.  Ich halte, beruhige, beschwöre. Innerlich will ich brüllen. Weil. Ich halte es überhaupt nicht mehr aus. Gar nicht. Seit Februar jagt ein Infekt den nächsten. Ständig. Ist einer krank. Vor allem der Boy. Gerade sind wir beide krank. Und ich will brüllen. Dann schläft er plötzlich ein. Halb auf mir. Ich rühre mich nicht. Die Katze kommt. Legt sich auf meine andere Seite. Ich liege im Pipifleck. Wie eine sehr feine Dame.  Lasse das jetzt so. Hier wird heute kein Bett mehr neu bezogen. Hier wird nur noch ein klein

Klar kommen

"Wie bin ich eigentlich als Baby aus deinem Bauch raus gekommen,  Mama?" fragt das herrliche Kind.  Es ist kurz vor 7 Uhr.  Wir waren um 4 Uhr morgens schon einmal wach, sind Gott sei Dank wieder eingeschlafen. Ich liege verdreht und verspannt in den Bademantel verstrickt neben dem Kind. Mein Rücken. Tut weh. Spüre, dass die Augen verschollen sind. Ich habe Durst. Habe wirr geträumt, angespannt geträumt, dass das Kind und ich den Zug fast verpassen. Habe im Traum das Kind hinter mir her gezogen, gestresst, unter Druck, ohne Überblick darüber, ob ich alles dabei habe; ohne eine Vorstellung davon, was "alles" eigentlich ist. "Mama, wie bin ich da raus gekommen?" - "Durch meine Scheide." sage ich.  Mache die Augen wieder zu. Ich möchte eigentlich in keiner Situation Sätze sagen, die "meine Scheide" beinhalten. Schon gar nicht um 7 Uhr morgens. Nicht jetzt.  Das Kind denkt nach. Mehr Fragen formieren sich, ich kann beinahe hören, wie die kl

Schwankend

Ich schwanke auf meinen Stimmungen auf und ab. Schlecht ist mir. Vom Auf und Ab. Nachts schlafe ich schlecht.  Tagsüber das Auf und Ab.  In drei Wochen bin ich nicht mehr an der Uniklinik. Verlasse ich das Mutterschiff. Nach acht Jahren.  Acht. Jahre.  Ununterbrochen an einem Ort für acht Jahre war ich zuletzt am Gymnasium.  In drei Wochen ist das vorbei.  Ich wollte joggen gehen, wegen dem freien Kopf. Sitze auf einer Bank in der Sonne.  Bin zu beklommen.  Verklemmt im Oberbauch.  Nachts schiebe ich Wochenstunden hin und her im Kopf. Arbeit, Weiterbildung, Kind.  Es wird mehr. Geht sich nicht aus.  Mehr To Do. Ich kann es nicht einschätzen. Tagsüber mache ich mir Sorgen.  Ich werde mich einarbeiten müssen. Reinhängen. Es wird ganz schön viel.  Ich vermisse jetzt schon die Struktur, die Hierarchie, die gottverdammte Hierarchie. Ich vermisse meinen Oberarzt. Das System. Klare Vorgaben.  (Gab es natürlich eh nie, das. Nicht so, wie ich es jetzt schon vermisse.)  Vermisse die Lücken u

Außerhalb

B. sagt, "hier ist Dein Vertrag, unterschreibe und fang an, so schnell Du magst." Ich frage ihn, wie man eigentlich kündigt.  Er sagt, eine Kündigung tippt man in ein Word Dokument, druckt sie aus und dann übergibt man sie am besten persönlich. Und dann zeigt er mir, wo mein Büro sein könnte. Und sagt, dass mein Vertrag unbefristet ist. Und sagt, dass es vollkommen in Ordnung ist, 30 Stunden die Woche zu arbeiten. Ich würde besser bezahlt.  Ein MVZ ist quasi eine Niederlassung, aber mit der Sicherheit einer Anstellung.  B. ist mein Freund. Seit dem ersten Monat in dieser Stadt ist er mein Freund und ich habe ihm zugeguckt, wie er sich aufgebaut hat, was er jetzt hat. Ein großes medizinisches Versorgungszentrum. Eines für Psychiatrie und Psychotherapie. Und seit Jahren sagt er, ich soll endlich den Facharzt machen und zu ihm kommen. Jetzt schiebt er mir den Vertrag über den Tisch.  "Unterschreib und komm." Ich könnte psychotherapeutisch arbeiten. Ohne permanenten Ver

Ich bin jetzt Fachärztin

Es ist so viel passiert. Jeden Tag. Quasi übereinander ist es passiert, nicht nur gleichzeitig. Ich bin Fachärztin. C. ist stonewashed. Wir sind beide in keinem guten Zustand gewesen nach dieser Willkür und der geballten Ladung Sadismus und Narzissmus, die sie erlebt hat. So funktioniert dieses Klinik System seit immer. Die Hierarchie und die Hackordnung.  C. ist unverwüstlich in ihrem Kern. Sie hat sich abgearbeitet in den letzten 9 Tagen, um diese Form der Innenraum Verschmutzung in Ordnung zu bringen. Die Entwertung, die Enttäuschung, die Fassungslosigkeit. Ich habe mich mit ihr abgearbeitet. Weil ich mich schuldig gefühlt habe. Weil. Sie besser vorbereitet war als ich. Und meine Prüfung nicht wohlwollender hätte sein können. Gefreut habe ich mich kaum. Dafür war ich zu angewidert. Die Anspannung ist abgerieselt.  Das schon. Das System, in dem C.s Prüfer tun kann, was er tut, ist das System, in dem wir ausgebildet werden. Ein Machtsystem. In das man hineinerzogen wird. Schon im Stud

Noch 3 Tage

6.19 Uhr. Seit kurz nach 5 Uhr bin ich wach.  Das letzte "Lerncamp" bei C. Ich liege im Dunklen und mache mir Sorgen. Ob die Ärztekammer meinen Psychotherapie Fall an die Prüfer weitergeleitet hat und dann fallen mir noch spontan ein paar Dinge ein, die ich noch nicht nachgelesen habe.  Ich spüre die Adrenalin Wellen. Es sind zwei große und eine kleine. Ich denke an L., meine Freundin und Hebamme. Die mir beigebracht hat, durch die Wehen zu atmen. Und ich atme. Tief ein. 1, 2, 3, 4, 5 aus. Noch 3 Tage. Ein kleiner Oppositions Gedanke taucht auf, quengelt, "ich mag nicht mehr lernen". Ja. Auch das. Ich tröste mich. Man kann sowieso sonst nichts tun. Lockdown. Die Alternative wäre Spielplatz bei aktuell 5 Grad Celsius. Und im Lerncamp gibt es Kaffee ans Bett von C. und dann ausschließlich Erwachsenen Beschäftigung, akademischen Kram. Keine Paw Patrol. Lernen ist schon ok. Licht an. State of the Art. Kunst also. Wie gut, dass ich jetzt noch die Gelegenheit habe, nachzu

Einmachgläser

Ich hätte schwören können, dass ich müde bin. Beim Hinlegen. Hätte ich es geschworen. Aber auf dem Bett angekommen, ist es gar nicht angenehm. Das Liegen. Und die Augen gehen auch die ganze Zeit von selber auf.  Es ist 10 Uhr vormittags. Ausruhen, sage ich mir, kurz ausruhen. Ich liege steif auf dem Bett, wie ein Nussknacker. Angespannt. Wie ein Skispringer. Ich versuche mich zu entspannen, den Kiefer und die Schultern. Das geht überhaupt nicht. Das Herz klopft. Eigentlich nicht schneller als es soll. Es klopft expansiv. In mir ist für nichts anderes Platz. Ich kann kaum Luft holen. Bin außer Atem. Ich liege also bewegungslos auf dem Bett und bin völlig außer Atem. Heute Morgen ist das herrliche Kind um kurz nach 5 Uhr wach geworden. Wir haben gespielt und gefrühstückt. Sind pünktlich am Kindergarten gewesen. Der ganze Morgen ist komplikationsfrei verlaufen. Ich habe die ganze Zeit nicht gewusst, wie ich es schaffen soll. Das alles. Den Ablauf. Den Alltag. Die Prüfung. Dann war

Noch 3 Wochen

Noch 3 Wochen.  Bis. Ohgottohgott.  D Day. Bin erschlagen von den letzten Tagen. Alle meine Patienten habe ich gesehen. 14 Therapiestunden und 2 Stunden Besprechung in 2 Arbeitstagen. Noch einmal alle sehen. Alles eintüten. Weil heute das "Lernfrei" begonnen hat. Die heiße Phase. Endspurt. Ich bin zu Hause. Die Wohnung ist bröselig, wasserfleckig und zahnpastaschmierig im Badezimmer, überall sind Dinosaurier und kleine Autos, Wäschehaufen, Krams, Altpapier Stapel, Tassen mit eingetrocknetem Irgendwas. Heute stehen substanzgebundene Abhängigkeiten auf dem Lernplan. Und auf dem Tagesplan steht Selbsterfahrung, schwimmen gehen mit dem herrlichen Kind, aufräumen, Wäsche machen, staubsaugen. Ich sitze auf dem Rand der Badewanne. Flechte meine Haare und arbeite Öl ein in die Längen. Ich bin so struppig. Zerrupft. Die Haare stehen vom Kopf ab. Ich muss dringend mehr trinken. Mindestens 2 Liter Wasser oder Tee. Für das Gehirn. Ich bin zerknittert. Knittrig im Gesicht,

Ich übernachte bei C.

Ich übernachte bei C. Sie sitzt ein Zimmer weiter auf dem Bett, das ganze Gesicht voller Feuchtigkeits-Antifalten-Maske. Ich sitze in "meinem" Gästezimmer auf dem Bett.  Die Türen sind offen. Wir hören Musik, die ich aussuche. Laut. Müssen uns zu rufen. Laut. Ich fühle mich gut. Froh und fernweh-melancholisch und unbeschwert und gut aufgehoben. Und satt und müde. Ein Zimmer weiter rumpelt die Waschmaschine. Wir waren beim Griechen essen und unsere Jacken und Hosen haben gerochen wie durch die Fritteuse gezogen. Ich muss nichts gerade. Mich nicht kümmern. Nicht ein Ohr haben oder ein Auge für. Wahrscheinlich muss ich gleich nicht Mal mithelfen beim Wäsche-Aufhängen. (Muss ich tatsächlich nicht.) C. ist ein Mal pro Woche mein sicherer Ort. Sie weiß das nicht. Ich werde es ihr nie vergessen. Ein Mal pro Woche muss ich nichts müssen. Ich darf so viel über mich reden, wie ich will. Ich darf um halb 9 schlafen gehen. Ich darf hier einfach sitzen. Ihr Shampoo darf ich auch benutzen.

Schreigesang

Die Sachbearbeiterin der Ärztekammer schreibt, "vorbehaltlich habe ich Ihre Anmeldung zur Facharztprüfung weiter geleitet". Es fehlt eine letzte Unterschrift vom Chefarzt meiner Klinik. Eine Formalität. Ich habe trotzdem Zustände. Kann jetzt. Bitte Mal. Endlich. Himmelarschundzwirn. Die Chefsekretärin sagt, dass ich die Unterschrift morgen Mittag abholen kann. Ich gucke an ihr vorbei, das Chefarzt Büro steht offen, niemand da. Also gut. Ein Tag mehr oder weniger. Ist jetzt auch schon. Egal ist das. Was soll's. Zustände habe ich. Ich habe von Pater C. geträumt. Wieder. Er hat gesungen. Laut, wie immer sehr laut, und ein bißchen trotzig. Ein fröhliches Lied hat er gesungen. Ein Volkslied am ehesten, um Lebenswillen und Lebensfreude ist es gegangen. Einfach und eingängig. Ich wiederhole den Text und die Melodie im Traum. Um es nicht zu vergessen. Lasse im Traum mein Handy mithören, es erkennt das Lied. Zur Sicherheit. Ich will es behalten. Beim Aufwachen habe ich es vergesse