Schwankend
Ich schwanke auf meinen Stimmungen auf und ab. Schlecht ist mir. Vom Auf und Ab.
Nachts schlafe ich schlecht.
Tagsüber das Auf und Ab.
Tagsüber das Auf und Ab.
In drei Wochen bin ich nicht mehr an der Uniklinik. Verlasse ich das Mutterschiff.
Nach acht Jahren.
Acht. Jahre.
Ununterbrochen an einem Ort für acht Jahre war ich zuletzt am Gymnasium.
In drei Wochen ist das vorbei.
Ich wollte joggen gehen, wegen dem freien Kopf.
Sitze auf einer Bank in der Sonne.
Bin zu beklommen.
Verklemmt im Oberbauch.
Nachts schiebe ich Wochenstunden hin und her im Kopf. Arbeit, Weiterbildung, Kind.
Es wird mehr. Geht sich nicht aus.
Mehr To Do. Ich kann es nicht einschätzen.
Tagsüber mache ich mir Sorgen.
Ich werde mich einarbeiten müssen. Reinhängen. Es wird ganz schön viel.
Ich vermisse jetzt schon die Struktur, die Hierarchie, die gottverdammte Hierarchie.
Ich vermisse meinen Oberarzt.
Das System. Klare Vorgaben.
(Gab es natürlich eh nie, das. Nicht so, wie ich es jetzt schon vermisse.)
Vermisse die Lücken und Schlupflöcher.
Die Trittsicherheit.
Das Wissen, wie weit ich zu weit gehen kann.
Ich habe mich in insgesamt zehn Jahren Assistenz Zeit geärgert. So viel geärgert über. Aufgelehnt gegen. War frustriert und zornig und dagegen. Gegen die Struktur und die Hierarchie.
Und jetzt.
Werde ich einfach zusammen packen und weg gehen.
Also, einfach ist es nicht.
Es ist natürlich durchdacht und es macht Sinn. Hat Hand und Fuß, wenn schon keinen freien Kopf.
Ich möchte psychotherapeutisch arbeiten, ich will keine Uniklinik Karriere.
Ich will keinen Uniklinik Karrierestress, das Haifischbecken, den Hochleistungssport. Will ich nicht.
Nicht wirklich.
Das, was ich kann, funktioniert nicht an der Uniklinik.
Es ist nicht übersetzbar in Uniklinik.
Ich kann Uniklinik nicht.
Ich kann Therapie. Das mag ich.
Feine Schichten frei legen. Sitzen mit den Geschichten.
Zuhören. Hinspüren. Sortieren.
Manchmal etwas begreifen.
Ich nehme alle meine Patienten mit. Alle wollen mitkommen, um weiter ihre Psychotherapie zu machen.
Da gibt es keinen Abschied. Da nicht.
Aber vom Haus, der Institution. Von den Kollegen. Von dem Geräusch, das die Karte am Türöffner macht, wenn man aufsperrt. Vom Gepiepse der Monitore in der ZNA.
Vom Geruch in den Fluren. Vom miesen Kaffee. Vom Logo auf dem Kittel.
Vom Klinik Bäcker nicht.
Das nicht. Der bleibt für mich offen.
"Ich will keinen Abschied, dass das klar ist", sage ich zur Teamleitung; "wenn ich einen Blumenstrauß sehe, stehe ich auf und gehe."
Er ist verwundert. Ich sage, dass ich es nicht erklären will. Erkläre es dann doch.
Es soll weiter gehen. Ich arbeite doch weiterhin mit Patienten, die sowohl hier als auch dort, bei mir angebunden sind.
Eine Art Weiterentwicklung, meine Weiterentwicklung soll es sein.
Kooperation zwischen Mutterschiff und Major Tom.
Kein Schlusspunkt.
Jedenfalls nicht jetzt.