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Es werden Posts vom Juli, 2020 angezeigt.

Umgewöhnung

Die Umgewöhnung oder Eingewöhnung von der Mäuse- in die Bienengruppe sorgt für Aufruhr in der Seele des herrlichen Kindes. Nicht nur bei ihm. Im Chat mit meinen Kita-Mama-Freundinnen tauschen wir uns aus. Die Kinder reagieren. Alle. Jedes anders. In der neuen Gruppe ist man "bei den Großen". Kein Mittagsschlaf mehr. Toiletten werden in Betracht gezogen. Ein anderer Raum. Neue Erzieher. Das herrliche Kind macht, was es immer macht, wenn sich etwas ändert. Er ist anhänglich. Er schläft unruhig. Er steht morgens zwischen 4.15 und 4.45 Uhr auf. Ich schlafe zu wenig. Zu. Wenig. Schlaf. Wieder. Ich habe ganz bestimmt schon alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt. Schlafdeprivation ist schrecklich. Es verändert mich. Ich kann es nicht gut kompensieren. Seit einer Woche kämpfe ich. Und schlage mich alles andere als gut. Weiß, es hilft nichts. Und so richtig hilft auch nichts. Es geht vorbei. Es geht ums Durchhalten. Ums Aushalten. Das Kind geborgen und sicher ha

Gestern um kurz nach 19 Uhr

Gestern um kurz nach 19 Uhr gehe ich in die Polizei Station. Die Polizisten sitzen hinter der Glassscheibe in einer Art Großraum Empfangsbüro. Einer sagt zum anderen, "frag sie mal, was sie will". Was ich will. Ich will einen Erwachsenen, der mindestens einen Kopf größer und 20 kg schwerer ist als ich, der mich in den Arm nimmt und sagt, dass ich heim gehen soll, den Pyjama anziehen und Podcast hören, und dass er sich jetzt kümmert. Um den ganzen Ärger. Für mich. Statt mir. Ohne mich. Ein Polizist kommt zu mir. Ich sage "ich habe ein Auto vom Carsharing kaputt gemacht, leider." Ich soll Platz nehmen. Ihm meine Papiere geben. "Was ist denn passiert?" fragt er. Ich will sagen, "heute oder überhaupt?" Ich will sagen "ich komme nicht zum Lernen für meine Facharzt Prüfung, weil ich abends zu müde bin und tagsüber zu beschäftigt mit dem herrlichen Kind und den Patienten und dem Aufräumen, Einkaufen, Wäsche waschen; ich habe einfach nie Ge

Montag um 3 Uhr morgens

Montag um 3 Uhr morgens wacht das herrliche Kind auf und weint.  Das Aua soll weg gehen, weint er. Hält sich den Kopf oder die Ohren, ich kann es nicht genau sagen. Das Kind kann es auch nicht genau sagen.  Beruhigen kann er sich auch nicht. Ich nehme ihn auf den Arm, wandere ein paar Runden durch die dunkle Wohnung. Er klebt an mir. Ist ganz schlapp, legt den Kopf auf meine Schulter. Weint vor sich hin. "Ins Bett gehen!". Er schläft halb auf mir weiter, ich döse vor mich hin. Fieber hat er nicht. Den ganzen Montag liegt das Kindlein im Bett. An der selben Stelle. Weint viel. Schläft kaum. Isst und trinkt nur im Liegen. Hört Hörspiele. Guckt ein bißchen Zeichentrick im Liegen. Schläft dann abends ein. Und ich neben ihm. Den ganzen Tag neben ihm. Seltsam finde ich es, dass er sich nicht einmal umdrehen will. Er fasst sich immer wieder hinter das rechte Ohr.  Dienstag Morgen will er noch immer nicht aufstehen. Dreht sich vorsichtig zur Seite im Bett. Jammert. Ich habe Dienst. 1

Manchmal kommt es vor

Das Heizgerät im Boiler sagt heute Morgen "Störung 2, Übertemperatur". Der Boiler hält still, das Wasser bleibt kalt. Kommt manchmal vor. Wenn man dann links den untersten Knopf drückt, kann man die Störung "quittieren". Dann steht da "Störung quittiert", der Boiler springt an, das Wasser heizt sich auf. Fertig. Manchmal steht da "Störung 98, Widerstandsstecker". Auch dann geht der Boiler nicht, bleibt das Wasser kalt und die Heizung auch. Es ist entweder die eine oder die andere Störung, wenn morgens eiskaltes Wasser aus dem Duschkopf kommt. Das Gerät weiß welche und kann es mitteilen. Und tut das auch. Bevor mir der Trick mit dem Knopf links unten klar geworden ist, habe ich in so einem Fall verzweifelt auf alle Knöpfe gedrückt. Ausgeschaltet, das ganze Ding. Wieder ein. Wieder aus. Drauf gehauen, aufs Gehäuse. Auch das. Habe "Störung 2" gegoogelt. Habe herausgefunden, dass offenbar "einer der Temperaturfühler an der Br

Trauerarbeit

Heute Vormittag wollte ich die Unterlagen durchgehen. Mit der Checkliste abgleichen. Zwei voll gepackte Ordner sichten, kontrollieren. Die ganze gräßliche Bürokratie für die Facharzt Anmeldung. Und danach wollte ich weiter am Fall schreiben, der eingereicht werden muss. Ich war morgens pünktlich in meinem Büro. Habe mir Tee gekocht. Mich an den Tisch gesetzt. Und dann. Habe ich. Nicht. Nichts. Habe ich. Habe ich nichts gemacht. Die Uhr auf meinem Schreibtisch tickt. Draußen auf dem Flur gehen Türen auf und zu. Ich sitze hier und bin nicht müde, nicht krank. Der Kopf tut nicht weh. Sitze hier irgendwie verbogen. Bin nicht wirklich hier. Ich habe das Gefühl, ich müsste weinen. Ich vermisse meine Zukunftspläne. Ein zweites Kind. Eine Liebe. Ein Hof in Österreich mit der schönen Godi und meinem Bruder. Kein zweites Kind. Keine Liebe. Ich kann nicht noch einmal neu anfangen. Kein Neuanfang. Ohnehin glaube ich nicht an Neuanfänge. Es geht immer da weiter, wo. Geht we

Hinein blicken

"Wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein." Schreibt Nietzsche. Und vielleicht hat er Recht. Ich träume von Pater C. Er ist so wie immer. Verwittert, dabei unverwüstlich, er lacht, hat eine Ausstrahlung wie ein warmer Kachelofen. Nimmt meine Hand. Sagt, wie immer, dass bei ihm alles in Ordnung ist. Ergänzt, dass er manchmal müde ist. Im Traum weiß ich, dass er sterben wird. Bin außer mir, vor Freude ihn zu sehen, vor Angst ihn zu verlieren. Ihn verlieren zu werden. Ich möchte die Rettung rufen. Und den Notarzt. Ich bitte ihn, bettel darum, dass er mit ins Krankenhaus kommt. Weiß gleichzeitig, dass er in einem Krankenhaus gestorben ist. Er ist da, so wie immer, und sagt, ich bin doch da. Ich kann nicht aufhören zu weinen. Kann nicht aufhören zu spüren, dass ich ihn verloren haben werde. In der nächsten Traumszene sitze ich im Kreis mit den anderen Kita Eltern. Wir verabschieden uns von den Erziehern des Krippenbereichs. Unsere