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Es werden Posts vom Mai, 2020 angezeigt.

Marillenknödel

2 von 7 Diensten geschafft. Morgen ein Nachtdienst. Es ist anstrengend. Unschön. Viele junge Frauen, die sich schwer intoxikieren in suizidaler Absicht. Junge Frauen, denen das Leben verrutscht ist. Akutpsychiatrie ist da keine Hilfe, oft eher eine weitere Eskalation. Es ist unschön. Heute habe ich frei. Heute sind das herrliche Kind und ich zu zweit. Wir trinken Kakao und Kaffee im Bett. Hören ein Hörspiel. Gehen dann früh los zum Spielplatz. Ein für uns neuer Spielplatz, ganz nahe, von dem ich bisher gar nichts wusste. Wir sind die ersten. Klettern 89 Mal die lange, verschwurbelte Rutsche hoch. Die Sonne scheint, sonst wäre es kalt. Das Kind spielt irgendwann im Sand und ich lerne. Antidepressiva. Bin beruhigt, weil ich manches tatsächlich weiß. Das Kind singt. Ich erzähle ihm was über Rezeptor Affinitäten und Indikationen. Auf dem Heimweg kaufe ich Marillen. Kaufe dem herrlichen Kind ein großes Eis. Unser Tag ist das heute. Unser gutes Leben. Das Kind macht

Alle Lampen an

Wieder Kohorte. Wieder 7 Dienste in 2 Wochen. Immer im Wechsel: Spätdienst, Tagdienst, Nachtdienst. Ich habe es gut vorbereitet. Das herrliche Kind ist gut versorgt. Meine Patienten aus der Ambulanz auch. Ich weiß was kommt - habe es ja gerade erst durchlaufen. Es ist anstrengend. Es ist machbar. Der erste Dienst ist schon geschafft. Das herrliche Kind hat sich jetzt, in der 3. Woche, an die Notbetreuung gewöhnt. Der Abschied morgens wird leichter. Alles, wirklich alles wird dadurch auch für mich leichter. Heute war der freie Tag zwischen den ersten zwei Diensten. Ich war einkaufen. Ich habe Marillenknödel gemacht. Habe Brot gebacken. Eine Dokumentation geguckt. Staub gewischt. Das herrliche Kind abgeholt. Viele Käfer und Spinnen auf dem Weg nach Hause gesucht. Die Wäsche gemacht. Seifenblasen gemacht. Die Badewanne eingelassen und kurz darauf wieder geputzt. Abendessen gemacht. Gesungen. Zähnchen geputzt. Fläschchen gemacht. Ich habe mich irrtümlich ein kle

Hinterland

5.15 Uhr. Das herrliche Kind sitzt im Bett, guckt mich an. Fragt, "bist du wach, Mama?" Er möchte baden und Raduri hören, wie er sagt. Ist begeistert. Sagt, "ich hab eine Idee", möchte den Kakao in der Wanne trinken. Und dazu Hörspiel hören. Ist sehr begeistert. Der Kaffee brodelt in der Kanne. Das Kind hört Feuerwehrmann Sam. Es wird hell. Hellblauer Himmel. Keine Wolke. Der Rauschebaum vor dem Küchenbalkon hat kleine grüne Blätter. Ist mit Blühen fast fertig. Überall waren die kleinen baumwollartigen Pollen. In jeder Ecke haben sie sich wie Wattebausche zusammen getan, die einzelnen Fliegedinger. Beim Staubsaugen und Bodenwischen denke ich daran, dass ich Anfang des Jahres die Vorstellung hatte "mit dem Baum zu blühen". - Meiner Treu, sagt Hauptfeuerwehrmann Steel im Hörspiel. - Aber echt. Von wegen Blühen; in den Ecken fegen ist angesagt. Der Lehranalytiker sagt, ich bedauere Entscheidungen, die mein Ich-minus-10-Jahre-Entwicklung getr

Die abgerissenen Fäden

Jede Nacht träume ich. Immer ähnlich. Immer so real, dass ich beim Aufwachen sekundenlang nicht weiß, was wirklich ist. Ich träume, dass ich noch studiere. Dass ich schon lange keine Prüfung mehr gemacht habe, eventuell Termine übersehen habe. Ich träume, dass ich in einem Studentenheim ein Zimmer bezogen habe, aber vergessen meine Sachen mitzubringen. Das Zimmer ist teilmöbliert, schrecklich trist, herunter gekommen. Ich träume, dass ich Jura studiere. Bin im Traum erschrocken - auch das noch, ich bin doch mit Medizin noch gar nicht fertig. Träume, dass mein Bett eine Art Indoor Teich ist, ein Holzrahmen, der mit Wasser gefüllt ist, der Lattenrost ist zu klein.  Und dann träume ich jede Nacht von vergangenen Beziehungen. Von F., der wie kein anderer zu mir gepasst hat. Oder ich zu ihm. F. und ich sind gescheitert an unserer Sprachlosigkeit, was unsere Konflikte angeht. Ich denke darüber nach. Immer wieder. Seit Jahren. Seit Tagen besonders. Ich denke, wir hätten es schaff