Wir sind pünktlich

Wir sind pünktlich. Kaum zu glauben.
Obwohl wir erst kurz vor 7 Uhr aufstehen, schaffen wir es ohne Hektik pünktlich aus dem Haus. Ich bin versucht zu sagen, wir haben den Dreh raus. Mal wieder.
Eine neue Routine.
Aufstehen, ein Kakao, ein Schluck Kaffee, anziehen und los.
Die halbe Strecke mit dem Bobbycar bzw. zu Fuß. Durch Wind und Wetter. Das herrliche Kind liebt das.
Die andere Hälfte mit dem Bus. Aus Zeitgründen.
Und das letzte Stück trage ich Kind und Bobbycar. Ein Kraftakt. Das tägliche Training.
Der Abschied in der Kita klappt momentan wieder gut.
Ich bin so leicht und gelöst, wenn das Kind gut ankommt. Es macht einen riesigen Unterschied für mich.

Der Tag verläuft unaufgeregt.
Die lange Dienstagsbesprechung.
Ich bin nicht bei der Sache.
Muss erst wieder in eine Routine finden mit meinen Patienten. Die Fehlzeiten der letzten Wochen erzeugen eine Distanz in der Therapie.
Beziehung ist die Grundlage in einer Therapie. Ist die therapeutische Beziehung wackelig, wird alles vage.
Es ist anstrengend, jemanden durch Krisen zu begleiten, wenn es wackelig, die Verbindung undeutlich ist.
Ich bin im Grunde mit allen meinen Patienten noch in der Eingangsphase.
Bin auch mit DBT noch nicht besonders vertraut.
Fühle mich in der letzten Zeit, heute besonders, nicht kompetent, unsouverän. Muss mich erst wieder einarbeiten, meine Patienten ins Gefühl kriegen. Muss wieder in die therapeutische Arbeit kommen nach den vielen Ausfallterminen.

Ich finde die Besprechung heute anstrengend. Langatmig.
Verhaltenstherapie erzeugt die Pseudosicherheit, dass der Therapeut genau wissen kann, was als nächstes kommt, was passieren soll.
Ich glaube daran heute nicht.
Im Grunde glaube ich gar nicht daran.
Dass das stimmen kann.
Dieses "schon genau wissen" seitens des Therapeuten.
Ist es nicht auch für den erfahrensten Therapeuten immer eine Reise in ein unbekanntes Land?
Heißt erfahren-sein nicht im Grunde geduldig zu sein, die richtigen Fragen zu stellen, das Nicht-Wissen so lange auszuhalten, bis etwas klar wird, aus dem Patienten heraus, in dessen Worten, in dessen Tempo?
Ohne notwendigerweise einen Fahrplan zu haben.

Ich bin fasziniert von der neuen Technik, DBT ist faszinierend.
Heute verwirrt es mich.
Entmutigt mich die Sicherheit, mit der im Team besprochen wird.

Ich vermisse die Pausen, die mein Lehranalytiker macht, nachdem ich aufgehört habe zu sprechen.
Die Pausen.
Bevor er etwas sagt.
Diese Pausen, in denen er nachspürt, nachdenkt, begreift, formuliert.
Die Pausen, die der Raum sind für Erfahrungen.
Die in genau diesen Momenten erst gemacht werden können.
Meine Erfahrungen.
Und auch seine, mit mir.
Ich vermisse diesen Raum heute.

Der letzte Termin fällt aus.
Ich habe ein bißchen Zeit, muss nicht sofort nach Hause laufen.
Treffe den neuen Kollegen, den ich so mag.
Wir entscheiden uns spontan, einen ganz schnellen Kaffee zusammen zu trinken.
Wie gut das tut, diesen Kollegen zu sehen. Es fällt mir auf, dass ich mich richtig freue. Es macht einen Unterschied, tut mir gut.
Er muss Arztbriefe schreiben, eine Fortbildung organisieren, ist heute gestresst, unter Druck. Erzählt davon.
Ich erwähne das herrlichen Kind, einen Ausschnitt unseres Wochenendes.

Beim Gehen sagt er, "du musst mir mal mehr von deinem Alltag erzählen".
Ich glaube, wenn man einen Menschen neu kennenlernt gibt es wenige Sätze, die so freundlich sind, so zugewandt, wie dieser.

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