Übergänge

Die Abschiede sind so schwer.
Immer wieder.
Gerade wieder.
Das herrliche Kind möchte morgens nicht in die Kita, sagt "nicht Kindergarten", weint. Beim Abholen dann will er oft nicht gehen, immer muss er mir noch dies und das zeigen. Ich glaube, im Kindergarten ist alles in Ordnung, er lehnt nicht den Kindergarten ab, er hat Probleme mit dem Übergang.
Das kenne ich.
Ziemlich gut.
Ich möchte derzeit auch zu Hause bleiben. Am liebsten mit ihm.
Ich habe so eine Sehnsucht zu kochen, zu backen, im Haus herum zu wurschteln, mit meinem Kind zu spielen, zu Mittag mit ihm auszuruhen und ihm 12zigtausend Bussis über den Tag verteilt zu geben.
Ich gehe also momentan mit schwerem Herzen zur Arbeit.
Und dort.
Ist I., meine Kollegin. Und die anderen. Dort sind meine Patienten. Und ich freue mich mit ihnen zu sein, interessiere mich für die Geschichten, muss lachen, bin gerne im Team, finde es spannend voran zu kommen.
Der Übergang ist das Schwierige.
Auch für mich.

Beim Abholen im Kindergarten frage ich die Erzieherin, ob das Kind noch weint nach dem Mittagsschlaf. Seit einer guten Woche weint er wohl beim Aufwachen, das ist neu. Zuhause nicht. Da ruft er mich, wenn er wach wird.
Die Erzieherin möchte, dass er auch im Kindergarten nicht weint, sondern selbst aus der Gruppe kommt. Oder sie ruft.
Ich habe mit dem herrlichen Kind gesprochen, ihm erklärt was er tun kann, wen er rufen kann. Er hat "ja ok" gesagt. Und weint weiterhin.
Die Erzieherin sagt, "er weint nicht nur, er ruft auch Mama oder Papa, nicht mich, wenn er aufwacht." Ich sage "ah, ok". Frage in die entstandene Pause "eine Phase vielleicht?".
Sie sagt, "mein Kollege denkt, es hat wohl mit eurer Situation zu tun, er verarbeitet wahrscheinlich".
Ich sage nichts.
Mir fällt absolut nichts ein.
Ich stehe da, mein Kind auf dem Arm, habe keine Antwort und kann deshalb auch nicht gehen.
Frage dann "was könnte ich denn tun?" und sie zuckt mit den Schultern, rollt die Augen kurz nach oben, sagt "da müssen wir jetzt durch".
C., die Mama vom besten Freund schaltet sich ein, stellt sich neben mich, fragt die Erzieherin nach einer Mütze oder so irgendwas, guckt mich aber dabei an, ich sehe es im Augenwinkel. Ich kann nicht zurück gucken. Kann gar nicht gucken. Versuche die Tränen nach innen abfließen zu lassen. Sage "gut, dann Danke" und gehe zur Türe. Die Erzieherin ruft mich, ich habe die Mütze vom Kind liegen gelassen. Muss nochmal zurück.
Leider klappt das mit dem Abfließen nach innen nicht.
Schon wieder stehe ich im Kita-Flur und weine.
C. kommt hinter mir her, mit dem besten Freund vom herrlichen Kind. Sagt, ihr Kind hätte das auch gerade, allerdings zu Hause. Würde plötzlich aufwachen und weinen. Was denn das dann heißen könnte, wenn das Kind zu Hause weint obwohl sie keine "Situation" habe. Sie verdreht die Augen. Sagt, ich soll mir keinen Kopf machen.

Abends kommt meine Schwester, bleibt eine Nacht, ist beruflich hier. Ich erzähle es ihr. Wir vergleichen, denken nach, wie ihre Kinder aufwachsen, meines, ich denke daran wie wir aufgewachsen sind. Wir stellen fest, dass das herrliche Kind beide Eltern mehr sieht, als das häufig in "intakten" Familien der Fall ist.
Ich weiß das ja.
Aber ich werde es gleichzeitig nie mehr wissen. Warum mein Kind. Und ob nicht doch. Weil.
Werde nie mehr wissen ob es sich um eine Phase oder Schwierigkeiten handelt, die er wegen uns hat, wegen mir.

Er schläft heute, weil er das so wollte, im Mama Bett. Ich liege jetzt neben ihm.
Ich wünschte, ich könnte ihn beschützen.
Vor allem.
Auch vor mir.



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