Seelenhühnersuppe

Mittwoch, mein kurzer Tag.
Bin mittags fertig.
Ich gehe einkaufen auf dem Heimweg, möchte ganz viel kochen zu Hause.
Morgens habe ich mich auf die Waage gestellt.
Zu wenig.
Ich sehe es mir an, bin ausgezerrt. Bin in den letzten Monaten immer weniger geworden. Aber was ist mehr geworden? Was nimmt mir den Platz? 

Ich erzähle meinem Fräulein Ahorn von gestern, dem irgendwie verunglückten Kaffeetrinken mit F.
Erzähle davon, dass ich außer Stande bin - offensichtlich - neue Menschen kennenzulernen. Ich habe mich wie eine Irre benommen.
Hatte den verrückten Wunsch, alles klar und ungeschönt auf den Tisch zu legen.  Mein Alles.
Um nicht mißverstanden zu werden.
Nicht wieder.
Erzähle meinem Fräulein Ahorn, dass ich zu dünn bin. Es nicht schaffe ein Gewicht zurück zu erobern, das mir steht, mich stark macht, mich sinnlich sein lässt.
Ich bin jenseits von sinnlich.
Innen und außen.
Bin nur Kopf.

Irgendwann sage ich, "ich brauche jemanden, der mir etwas zu essen macht".
Höre mich das sagen.
Treffe eine Entscheidung in diesem Moment.
Eigentlich zwei Entscheidungen.
Zuerst hole mir eine sehr fettige, unglaublich gute Pizza aus dem Vorderhaus, vor unserem Hinterhof.
Vertage das Kochen.
Esse und blättere die Zeitung durch. Dann lege ich mich aufs Sofa, zum ersten Mal. Seit wir eingezogen sind, war dafür noch nie genug Raum und Ruhe.
Döse ein bißchen.

Dann mache ich mir Tee und beschließe, erstmal nur Menschen zu treffen, die ich schon kenne. Die mich schon kennen.
Die ich schon kannte, bevor ich den herzvollen Vater getroffen habe.
Ausgenommen davon sind meine Freundinnen rund um die Kita.
Ich tue mir erstmal keine neuen Kennenlernen mehr an.
Nur noch Menschen aus mindestens vor der Ehe.
Und Treffen werde ich meine Menschen zum Essen.
Nährende Kontakte.
Mindestens bis es wieder warm wird.

Ich hole das herrliche Kind ab.
Dann kommt L., meine beste Freundin aus der Klinik mit ihrem Kind.
Mein herrlicher Junge ist übellaunig, möchte keinen Besuch haben.
L. bleibt eine Stunde, es tut mir so gut dass sie da ist.
Wir kennen uns gut.
Sind verbunden. Nichts, überhaupt nichts jemals musste ich zurück halten oder umformulieren für sie, alles kann ich ihr erzählen. Eine so vertrauensvolle, haltende Freundschaft ist die Hühnersuppe für die Seele.
Kraftfutter. Innen.

Sie sagt, ich bin noch nicht über den Berg, was das Paratstehen, das Durchtragen, das Aushalten angeht.
Übermorgen ist der Banktermin.
Zum Beispiel.
Und eingespielt ist das neue Normal hier ja auch noch nicht zur Gänze. Bin sehr gefordert, noch immer. Natürlich. Wir leben hier, leben so erst seit 2 Monaten.
Und außerdem ist viel zu tun, jeden Tag, manchmal auch nachts.
Die Arbeit, Kind, Logistik, Haushalt, Lebenserhaltung.
Routinen für mich fehlen noch komplett.
Zeitfenster verbringe ich am liebsten in der Badewanne, das ist noch kein Aufbau.

Stimmt.
Es ist also in Ordnung so auszusehen. Mich so zu fühlen.
Nur bekannte, vertraute Gesichter sehen zu wollen in meiner Freizeit.
So wie morgen: da kommt meine löwenbeherzte Schwester. Für eine Nacht. Zum ersten Mal hierher ins Hexenhaus.
Und ich freue mich schon seit Tagen. Seelenhühnersuppe. Auch das.

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