Fieber
Kein Fieber mehr morgens. Eine ruhige Nacht.
An den Armen und Beinen erkenne ich noch einen Ausschlag. Unspezifisch.
Ein Teil meines Gehirns ist erleichtert, kein Fieber mehr, das herrliche Kind isst und trinkt und spielt.
Der andere Teil meines Gehirns sagt, woher kommt der Ausschlag, ist die Lunge wohl auch wirklich frei, hat er oder hat er nicht ein etwas geschwollenes Gesicht?
Wir gehen zum Kinderarzt.
Das verläuft bizarr.
Der Kinderarzt war schon vor 2,5 Jahren merkwürdig und kautzig. Kränkbar, unwirsch, gleichzeitig überemotional, ständig den Tränen nahe.
Heute verdrehen sich die Rollen. Innerhalb weniger Sekunden. Bin ich dort nicht mehr die Mama eines kranken Kindes sondern Psychiaterin, allerdings auf verlorenem Posten.
Ich sage ihm, dass mein Kind Fieber hatte und jetzt noch einen Ausschlag auf Armen und Beinen hat und leicht geschwollene Augen-Lider. Ich sage, eventuell bin ich ganz umsonst hier, aktuell ist er fieberfrei und das könnte ja einfach ein Virusexanthem sein.
Der Arzt sagt, jaja, bestimmt.
Holt ein Zettelchen hervor. Mit einem Namen. Ein anderer Arzt. Der Elektroakupunktur und Homöopathie und Manuelle Therapie kombiniert. Ein Heiler sei das. Eine Koryphäe. Er werde demnächst selbst ein paar Tage die Woche dort, mit diesem Arzt arbeiten. Der wolle ihn tatsächlich haben, als Co- Arzt. Dabei treten ihm Tränen in die Augen. Er sagt, das würde ihm so viel bedeuten. Von diesem Mann als Kollege gewünscht zu sein. Er habe ohnehin auch keine Lust mehr auf Mütter, die nicht zuhören. Er wolle heilen.
Es kommen ihm dabei wirklich die Tränen.
Er lasse sich aktuell dort selbst behandeln, lasse lange zurück liegende Coxsackie Virusinfektionen behandeln, esse kaum noch Käse, trinke nicht mehr, er habe ja sozusagen gesoffen früher. Erzählt er. Er bemerke, dass es wohl eine sehr feinstoffliche körperliche Befindlichkeit sei, die sein Weinen verursache. Das wäre bei 90% auch der psychiatrischen Erkrankungen der Fall. Etwas Körperliches, der Elektroakupunktur-Apparat könne das messen.
Ich sage, nun ja, eine bipolare Störung oder eine Schizophrenie wären wohl wirklich ein anderes Kaliber als eine Veranlagung zum Weinen, das wäre eine ganz andere Energie.
Da schluchtzt er, weil er es so berührend findet, dass ich "Energie" sage.
Ich bin höflich, validierend, bin irritiert innerlich.
Bin im falschen Film gefühlt.
Er redet sehr schnell, wirr.
Irgendwann geht er, klopft mir auf die Schulter. Sagt, ich würde wie immer hervorragend aussehen. Sagt, das wäre eine "therapeutische Nicht-Untersuchung", gewesen, damit das Kind die Angst vor dem Kinderarzt verliert.
Wir gehen.
Ich vergesse die Krankschreibung für die Klinik.
Bin froh, draußen zu sein.
Der Tag verläuft gut, ohne besondere Vorkommnisse.
Spielen, Essen, Schläfchen.
Dann leider wieder Temperatur.
Abends wieder Fieber.
Ein Teil meines Gehirns sagt, Kinder haben Fieber, haben Ausschläge, haben Infekte.
Der andere Teil meines Gehirns lässt mich das Stethoskop holen und die Lunge abhören. Ich höre kein Rascheln. Das Fieber ist bei 38.3°C.
Das ist nicht vital bedrohlich.
Es hilft tatsächlich nicht, zu wissen um welches Virus genau es sich hier handelt.
Es ist deshalb tatsächlich egal, ob ich eine kinderärztliche Vermutung kenne oder nicht.
Ich sage dem Team Bescheid.
Morgen bleiben wir zu Hause.
Ich lege mich in mein Bett und richte alle meine Antennen auf Nebenan.
Er ruft.
Ich bin sofort bei ihm.
Liege wach neben ihm.
Denke an Mütter, die sehr schwer kranke Kinder haben.
Denke, ich weiß nicht, wie diese Mütter das schaffen.
Denke, ich habe im Grunde gar nichts auszustehen. An keinem Tag.
Müde ist nur müde.
Ein gesundes Kind ist keine Schwierigkeit, egal wie es gelaunt ist.
Wenig Zeit für mich zu haben ist in Wirklichkeit ein Luxus-Wehwehchen.
Nehme mir vor, nicht zu vergessen wie es sich anfühlt in Sorge zu sein.
Wissend, dass meine Sorge inadäquat ist, übertrieben.
Versuche jetzt zu schlafen.
Morgen ist ein neuer Tag.
An den Armen und Beinen erkenne ich noch einen Ausschlag. Unspezifisch.
Ein Teil meines Gehirns ist erleichtert, kein Fieber mehr, das herrliche Kind isst und trinkt und spielt.
Der andere Teil meines Gehirns sagt, woher kommt der Ausschlag, ist die Lunge wohl auch wirklich frei, hat er oder hat er nicht ein etwas geschwollenes Gesicht?
Wir gehen zum Kinderarzt.
Das verläuft bizarr.
Der Kinderarzt war schon vor 2,5 Jahren merkwürdig und kautzig. Kränkbar, unwirsch, gleichzeitig überemotional, ständig den Tränen nahe.
Heute verdrehen sich die Rollen. Innerhalb weniger Sekunden. Bin ich dort nicht mehr die Mama eines kranken Kindes sondern Psychiaterin, allerdings auf verlorenem Posten.
Ich sage ihm, dass mein Kind Fieber hatte und jetzt noch einen Ausschlag auf Armen und Beinen hat und leicht geschwollene Augen-Lider. Ich sage, eventuell bin ich ganz umsonst hier, aktuell ist er fieberfrei und das könnte ja einfach ein Virusexanthem sein.
Der Arzt sagt, jaja, bestimmt.
Holt ein Zettelchen hervor. Mit einem Namen. Ein anderer Arzt. Der Elektroakupunktur und Homöopathie und Manuelle Therapie kombiniert. Ein Heiler sei das. Eine Koryphäe. Er werde demnächst selbst ein paar Tage die Woche dort, mit diesem Arzt arbeiten. Der wolle ihn tatsächlich haben, als Co- Arzt. Dabei treten ihm Tränen in die Augen. Er sagt, das würde ihm so viel bedeuten. Von diesem Mann als Kollege gewünscht zu sein. Er habe ohnehin auch keine Lust mehr auf Mütter, die nicht zuhören. Er wolle heilen.
Es kommen ihm dabei wirklich die Tränen.
Er lasse sich aktuell dort selbst behandeln, lasse lange zurück liegende Coxsackie Virusinfektionen behandeln, esse kaum noch Käse, trinke nicht mehr, er habe ja sozusagen gesoffen früher. Erzählt er. Er bemerke, dass es wohl eine sehr feinstoffliche körperliche Befindlichkeit sei, die sein Weinen verursache. Das wäre bei 90% auch der psychiatrischen Erkrankungen der Fall. Etwas Körperliches, der Elektroakupunktur-Apparat könne das messen.
Ich sage, nun ja, eine bipolare Störung oder eine Schizophrenie wären wohl wirklich ein anderes Kaliber als eine Veranlagung zum Weinen, das wäre eine ganz andere Energie.
Da schluchtzt er, weil er es so berührend findet, dass ich "Energie" sage.
Ich bin höflich, validierend, bin irritiert innerlich.
Bin im falschen Film gefühlt.
Er redet sehr schnell, wirr.
Irgendwann geht er, klopft mir auf die Schulter. Sagt, ich würde wie immer hervorragend aussehen. Sagt, das wäre eine "therapeutische Nicht-Untersuchung", gewesen, damit das Kind die Angst vor dem Kinderarzt verliert.
Wir gehen.
Ich vergesse die Krankschreibung für die Klinik.
Bin froh, draußen zu sein.
Der Tag verläuft gut, ohne besondere Vorkommnisse.
Spielen, Essen, Schläfchen.
Dann leider wieder Temperatur.
Abends wieder Fieber.
Ein Teil meines Gehirns sagt, Kinder haben Fieber, haben Ausschläge, haben Infekte.
Der andere Teil meines Gehirns lässt mich das Stethoskop holen und die Lunge abhören. Ich höre kein Rascheln. Das Fieber ist bei 38.3°C.
Das ist nicht vital bedrohlich.
Es hilft tatsächlich nicht, zu wissen um welches Virus genau es sich hier handelt.
Es ist deshalb tatsächlich egal, ob ich eine kinderärztliche Vermutung kenne oder nicht.
Ich sage dem Team Bescheid.
Morgen bleiben wir zu Hause.
Ich lege mich in mein Bett und richte alle meine Antennen auf Nebenan.
Er ruft.
Ich bin sofort bei ihm.
Liege wach neben ihm.
Denke an Mütter, die sehr schwer kranke Kinder haben.
Denke, ich weiß nicht, wie diese Mütter das schaffen.
Denke, ich habe im Grunde gar nichts auszustehen. An keinem Tag.
Müde ist nur müde.
Ein gesundes Kind ist keine Schwierigkeit, egal wie es gelaunt ist.
Wenig Zeit für mich zu haben ist in Wirklichkeit ein Luxus-Wehwehchen.
Nehme mir vor, nicht zu vergessen wie es sich anfühlt in Sorge zu sein.
Wissend, dass meine Sorge inadäquat ist, übertrieben.
Versuche jetzt zu schlafen.
Morgen ist ein neuer Tag.