Ein neues Buch

Der Plan war: morgens kommt der herzvolle Vater und geht mit dem herrlichen Kind schwimmen und ich bleibe zu Hause. Die ganze Woche habe ich überlegt, was ich dann mache. Mit meiner Zeit. Ich mit mir. In welcher Reihenfolge ich meinen Wurschtelkram zelebriere. Habe überlegt, raus zu gehen und mich zu einem Frühstück auszuführen, eventuell mit Lippenstift und Kleidchen; oder im Gegenteil mit Gesichtsmaske im Pyjama Zuhause zu bleiben. Alleine. Ungesehen. Ganz und gar für mich. Habe mich gefreut.
Alleine Zeit. Nur ich.

Es ist nichts daraus geworden.
Die beiden sind hier geblieben.
Und ich war nur alleine einkaufen.
Es ist anstrengend zu dritt. Das herrliche Kind überdreht. Es scheint, als wollte er dem Vater zeigen, was er alles kann.  Gleichzeitig lässt er mich keine Minute, keinen Meter, keinen Handgriff nach meiner Vorstellung gestalten.
Anstrengend ist es.
Wir versuchen alles, das Kind bleibt herrisch, laut, unwillig.
Ich erinnere mich an einen Sonntag, kürzlich erst, der genau so verlaufen ist. Es scheint, wir können zu dritt derzeit nicht. Nicht so gut. Das läuft unrund. Holt etwas Tyrannisches aus dem herrlichen Kind hervor. Warum genau, ist mir nicht klar.

Am Nachmittag dann doch noch ein bißchen Zeit für mich. Mein Friseur Termin.
Er färbt mir ein paar Strähnen heller. Das dauert. Und dann wirkt die Farbe ein. Und in dieser Zeit sitze ich dort.
Lese ein neues Buch.
Ich lese 79 Seiten in 55 Minuten. Wie in einem Rausch.
Rachel Cusk schreibt darüber, wie sie Mutter geworden ist und ich könnte weinen und lachen gleichzeitig, so sehr spricht sie mir aus der Seele. Besonders die ersten drei Monate mit Kind.
Jeden ihrer Sätze. Habe ich erlebt.

Ich gehe nach Hause, ein bißchen versöhnt mit dem verunglückten Tag.
Dieses Buch.
Macht mir klar, wir sind mindestens zu zweit.
Ich habe etwas erlebt, das nicht ausschließlich an mir liegt. Sie hat es auch erlebt.
Ich erlebe es noch, an Tagen wie heute und gestern und vorgestern.
An denen ich spüre, dass ich ohne mein herrliches Kind nie mehr ganz und vollständig Ich sein kann und auch nicht mit ihm.
Ich bestehe aus Anteilen, die sich über weite Strecken gegenseitig ausschließen. Die Frau und die Mutter, wie Rachel Cusk es beschreibt.

Ich habe noch 130 Seiten. Lesen und denken. Differenzieren. Analysieren. Zuordnen. Vielleicht wird es klarer.

Vielleicht ist diese Unmöglichkeit deckungsgleich zu sein innerlich als Frau und Mutter die erste Möglichkeit, beide Anteile zu verstehen.
Als ich einfach ich, die Frau war, war es scheinbar nicht wichtig genug, mir klar zu machen was das bedeutet.
Und Mutter-Sein war abstrakt, war aufgeladen mit absurden Bildern, mit heillos dummen Vorstellungen, mit  Kindheitserinnerungen.

Jetzt spüre ich ständig die Notwendigkeit beides zu sein.
Weil beides sein muss.
Frau sein. Mutter sein.
Sind nicht unter einen Hut zu bringen. Nicht ganz.
Sind beide Ich. Nicht mehr aus mir raus zu kriegen. Nicht ganz.
Keine von beiden. Gott sei Dank.
Und in verwirrender Weise ergänzen sie sich.






Beliebte Posts aus diesem Blog

Klar kommen

In der Liebe bleiben

Das Leben einer Königin