Schief und zerschlagen

Ich wache auf, ganz schief und zerschlagen. Liege verkrümmt wie eine sich selbst zusammen faltende Artistin vom chinesischen Zirkus am Fußende des Bettes. Vom herrlichen Kind. Das in seinem Bett liegt und schläft.
Ich konnte nicht schlafen, bin gegen 1 Uhr zu ihm ins Bett gekrochen. Wollte ihn nicht stören, mich gar nicht bemerkbar machen. Wollte nur sicher gehen, dass er. Auch wirklich schläft, nicht raus purzelt, sich sicher fühlt. Habe mich am Fußende zusammen geklappt. Eher gewacht dort, gedöst, wirr geträumt. Eigentlich nicht geschlafen.
Wache auf und bin erschöpft. Innen und außen erschöpft.

Feiertag. Kakao und Kaffee im Bett. Ein Morgenbad für das herrliche Kind. Ich backe Kuchen.
Dann gehen wir raus, in die Sonne. Es ist wunderschön draußen. Mild. Hellgolden.
Wir suchen einen Spielplatz. Erkunden. Die Gegend. Das Kind will getragen werden. Meine Arme brennen. Eine Stelle auf meinem Rücken, in etwa zwischen den Schulterblättern, brennt und pocht.
Ich bin erschöpft.
Komplett.

Wir finden den großen Spielplatz zwei Kreuzungen weiter. Im guten Viertel. Eine Handvoll Kinder, um die 4 bis 6 Jahre. Nur Väter da. Feiertag eben. Offenbar bekommen die Muttis jetzt zwei freie Stunden. Die Väter sehen schick aus. Teure Jacken. Teure Haarschnitte. Ich habe über den Pyjama meine Jogginghose und die Jacke angezogen, an einen BH habe ich nicht einmal gedacht, außerdem eine Mütze auf, weil ich auf meinem Kopf nach dieser Nacht eher einen Hühner Arsch als eine Frisur habe und mir die Kraft zum Haare waschen heute fehlt. Habe gerade so die Zähne geputzt.
Ich geniere mich.
Murkse am Tor herum, es geht anders auf. Als. Das Tor an "unserem Spielplatz".
Ich fühle mich fremd, ungelenk, unwohl. Kenne kein Kind hier. Keinen dieser Qualitäts-Zeit-Väter hier. Gucke keinen an. Blende sie aus.
Suche das Monster mit dem herrlichen Kind. Das lacht. Und rennt. Und kreischt.
Dann backen wir ekeligen Sandkuchen, probieren, sagen "iiiihhhhh" und hauen ihn platt. Ein Mädchen setzt sich zu uns. Ist zauberhaft hübsch, wie eine Fee. Sagt ihren Namen und wie alt sie ist.
Ich sage auch meinen Namen und wie alt ich bin. Und stelle das herrliche Kind vor. Sie will mitspielen. Sie darf mitspielen.
Wir suchen eine Stunde zu dritt das Monster, rennen kreuz und quer über den Spielplatz und durch die Büsche rundherum. Ich muss die Jacke ausziehen weil mir so warm ist. Trage mein Schlafshirt ohne BH. Die Kinder rennen zwischendurch zum Vater des Elfenmädchens und kreischen, "das Papa Monster, das Papa Monster". Ich halte Abstand. Natürlich. Er ist schick. Attraktiv. Wie aus der Maresi Werbung in den 90er Jahren. Ich halte immer mindestens 6 Meter Abstand. Geniere mich.
Plötzlich steht er neben mir, stellt sich vor, scherzt auch noch mit mir, er würde die Adoptionspapiere fertig machen, seine Tochter wäre bereits perfekt integriert. Ich sage meinen Namen und renne ins Gebüsch, zu meinem Kind.
Grundgütiger.
Ich bin sowas von weit weg von dem hier. Der Spielplatz-Erwachsenen-Interaktion. Dem Mann-Frau-Ding.
Dem neue-Leute-kennenlernen.
Weit weg davon so auszusehen, dass ich mich wiedererkenne. 
Ich finde den Elfenmädchen Vater sympathisch.
Ich bin leider so unmöglich heute, innen und außen, ich muss in Gebüsch-Nähe bleiben.
Das Kind liebt diesen Spielplatz.
Es nennt ihn Monster Spielplatz.
Es redet den ganzen restlichen Tag davon.

Am Nachmittag kommt die ganze beste-Freund-vom-Kind-Familie. Die Kinder streiten nur. Der Vater vom besten Freund und ich bringen Regale an. Ein Bohr-Alptraum mit den Altbauwänden. Es dauert ewig. Ist laut. Klappt schlecht.
Irgendwann gegen Abend kommt endlich der herzvolle Vater.
Wir haben die Kinder schon vor den Fernseher gepackt. Er setzt sich dazu. Redet kaum. Hilft nicht. Ist unbeteiligt.
Ich fange immer wieder an zu weinen vor Müdigkeit und Frustration, immer kurz und heimlich, zwischen Staubsauger halten und den Kindern Nudeln kochen. Sieht keiner. Bin so Knochen-erschöpft.
Eine Freundin hat kürzlich gesagt, den herzvollen Vater muss man "bei Laune halten", muss man betüteln damit er sich kümmern kann. Um das Kind. Um das Gesamtkonzept.
Heute sitzt er beim Kind. Isst meinen Kühlschrank leer. Ist muffig.
Ich bin sehr entäuscht.
Seit zwei Tage wartet das Kind auf ihn. Auch ich habe ihn erwartet.
Und jetzt ist es so unergiebig. So seicht. So blass.
Ich habe in den letzten drei Tagen die komplette Wohnung auf die Beine gestellt und das Kind betreut, ohne seine Unterstützung. Und jetzt ist er hier und bleibt abwesend.
Ich sage nichts.
Was auch.

Meine Muskeln zittern.
Ich werde jetzt schlafen.
In meinem Bett.
Darauf vertrauen, dass mich das Kind ruft, wenn es mich braucht. Mein feines, herrliches Kind. Ich wünschte, er wäre hier bei mir.
Er fehlt mir.
Ich werde jetzt schlafen und hoffentlich anders Aufwachen.
Für meine 12 Stunden Schicht in der Notaufnahme.



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