Ich habe jetzt ein Büro

Ich habe jetzt ein Büro in der Ambulanz, einen eigenen Raum. Muss nicht mehr herum wandern von unbesetztem Raum zu unbesetztem Raum. Eine Tradition in unserer Abteilung ist, dass es keine Räume gibt. Zu wenige Räume. Wer dazu kommt, hat erstmal keinen, bis jemand geht.
Jetzt habe ich einen.
Und ich fühle mich ganz feierlich. Habe die Haus-Handwerker angerufen, damit sie eine Wand neu streichen. Habe über die Kleinanzeigen eine Stehlampe erstanden, für gemütlicheres Licht, werde mir Pflanzen in mein Büro stellen. Werde Zeichnungen vom herrlichen Kind aufhängen. Und das Poster aus dem Museums Shop: Besser Scheitern.
Ich habe jetzt meinen Raum und heute habe ich 2 Stunden lang aufgeräumt. Altlasten der letzten Kollegen weg geschmissen, Schubladen ausgeräumt, sauber gemacht.
In ca. 3 Wochen werde ich kurzfristig im Umzugschaos untergehen. Es wird gut sein, dann zumindest einen geordneten, gemütlichen Raum zu haben.

Ich bin ganz verloren bei dem Gedanken an den Umzug. Ohne den herzvollen Vater wohnen. Ist ungewohnt. Ungewohnt.
Ich mache mir Gedanken um das Kind. Wird es ihm gut gehen. Nur mit mir. In einer Wohnung.
Der herzvolle Vater ist auch verloren wenn er an den Umzug denkt. Er deutet es an.

Ich denke, es war richtig, sich zu trennen. Weil wir die Augenhöhe verloren haben. Weil wir nicht in der Lage sind zu sprechen.
Weil.
Und es ist richtig, nicht wie Bruder und Schwester in einer Wohnung zu leben. Das fühlt sich nicht gesund an.
Das Hinterhof Hexenhaus ist richtig.
Dem Kind ein Zuhause zu bieten, einen sicheren, festen Ort ist richtig - der herzvolle Vater und ich haben keine guten Erfahrungen gemacht damit, ein Kind hin und her zu schicken zwischen zwei Wohnungen. Wir wollen unser Kind nicht belasten und verwirren, ein Zuhause, zwei Eltern. Eine Familie, zwei Wohnungen.

Wir hängen aneinander auf eine Art, die mir in den letzten Monaten gar nicht bewusst war. Das konnte ich gar nicht spüren lange Zeit. Es gibt diese Verbundenheit. Auch Gewohnheit. Auch und bestimmt vor allem, das herrliche Kind. Um das herum. Wir beide uns organisieren.
Wir sind uns einig, wenn es um das Kind geht. Haben da beinahe gleiche Vorstellungen. Das verbindet.

Also ziehen wir demnächst wehmütig auseinander, trennen uns gemeinsam. Sind beide auch ganz schön ängstlich.
Versichern uns, dass wir Familie sind.
Im Grunde ist das keine klassische Trennung. Diese Beziehung endet nicht. Sie verändert sich.
Und ja, ich dränge die Entäuschungen zur Seite. Die Differenzen schiebe ich an den Rand. Und er scheint das auch zu tun.
Ich mache das für uns als Familie, für das herrliche Kind und auch für mich.
Wir haben einen Plan für unsere Wochen, den gibt es ja jetzt schon. Wir haben einen Plan für Weihnachten, wieder Kinderhotel, wieder Österreich. Wir haben Ideen, wie die Wochenenden ablaufen könnten.
Ich habe überhaupt gar keine Vorstellung, wie es dann wirklich sein wird. Im Ablauf außen und innen, emotional. Wie sich das Leben ab Oktober anfühlen wird ist mir unklar.
Ich bin froh, meine Familie zu haben.  Meine sich wandelnde Familie.
Seit wir getrennt sind, bin ich weniger alleine mit ihm. Seit wir getrennt sind, liegt der Fokus ganz auf dem, was uns verbindet.
Vielleicht haben wir uns rechtzeitig getrennt.

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