Sonntag

Sonntag. Und leider, wie so oft sonntags, wacht das herrliche Kind um 5.20 Uhr auf und ist wach. Ganz wach.
Um 5.40 Uhr läuft das erste Mal das Feuerwehrmann Sam Hörspiel im Wohnzimmer und in der Küche der Kaffee durch. Meine Muskeln funktionieren verlangsamt und mein Kopf gar nicht. Immer noch Erschöpfung. Jetzt im Körper.
Der Vormittag ist irgendwie gedehnt. Wir sind alleine, der herzvolle Vater macht eine Radtour. Das Kind will nicht nach draußen, das ist untypisch. Im Wohnzimmer liegt eine Matratze auf dem Boden, weil wir gerade räumen. Räumen um, räumen aus. Räumen vorübergehend herum. Auf dieser Matratze verbringen wir 5 Stunden. Essen Frühstück wie ein Picknick, lesen, malen, üben Purzelbaum. Ich bin wie aus Knete. Im Kopf ganz dumpf. Dann will es zurück ins Bett, das herrliche Kind. 2 Stunden früher als sonst. Ich bin einverstanden. Lege mich dazu. Wir schlafen beide sofort ein.

Beim Aufwachen noch immer Erschöpfung. Der Körper macht nicht mit.
Ich denke, gut dass heute Nachmittag 3 Stunden Spielplatz oder Jump-House oder wasweißich geplant ist. Das Kind, sein bester Freund und die Väter. Und ich hier mit mir. Alleine. Durchatmen. Ich mache das Essen warm. Der herzvolle Vater kommt zurück, wir essen. Das Kind möchte nicht. Möchte nicht essen. Nicht gewickelt werden. Sich nicht anziehen, noch immer nicht nach draußen. Sein bester Freund schläft gerade erst ein, macht heute später als sonst seinen Mittagsschlaf. Erfahren wir per SMS. Was nun? Der herzvolle Vater sagt, geh du einen Kaffee trinken. Ich möchte nicht. Nicht nach draußen. Zu den Menschen. Ich sehe faltig und müde aus, die Haare merkwürdig struppig. Ich brauche diese Zeit hier. Im Badezimmer. Mit mir.
Mein Nachmittag nur mit mir. Und sämtlichen Cremen und Masken und Ölen, die ich besitze. Findet nicht statt.
Ich lasse mir die Wanne ein und mach die Türe zu. Tauche unter. Feuerwehrmann Sam, die hundertausendste. Kann ich nicht mehr hören. Bin erschöpft.
Ich vermisse es so schrecklich, alleine zu sein.
Nach fast einer Stunde im Bad ruft der Vater meinen Vornamen, ob ich Kaffee möchte. Das herrliche Kind öffnet umständlich die Badezimmer Türe, strahlt mich an, ruft nach hinten in die Wohnung "da!" - ruft meinen Vornamen und sagt, "da". Und will dann zu mir in die Wanne.
Sitzt da. Eis-verschmiert.
Sehr, sehr niedlich. Wie immer in den letzten Wochen nur maximal 30 Minuten vom nächsten Tobsuchtsanfall entfernt.
Verlangt mir gerade unglaublich viel Klarheit und Konsequenz ab. Schafft es derzeit, dass ich regelmäßig auch brülle. Aus Wut und Hilflosigkeit. Testet. Mich. Jeden Tag.

Wir baden. Ich denke nach. Was ist gerade los. Was ist los mit mir. Zusätzlich zu all den Abschieden in mir, die hin und her treiben in mir, die auf- und abtauchen in mir.
Das Kind braucht so viel Reibungsfläche.
Diese Dienste. Sind so anstrengend. Knochenjob. Seelenfresser.
Aber.
Ich muss die dadurch entstandenen Überstunden im selben Monat abbauen. Ich muss mir jeden Monat zwei Tage Freizeit Ausgleich nehmen. Muss. Das ist vorgeschrieben.
Zwei Tage also. An denen das Kind in die Kita geht. Der Mann zur Arbeit.
An denen nur ich, ich alleine in dieser Wohnung bin. Alleine in einem Raum bin. Unbeobachtet. Nicht angesprochen werde.
Ich lasse diese Erkenntnis sich in mir ausbreiten wie sich das Eis auf dem Gesicht des Kindes ausgebreitet hat.
Gut.
Das ist gut.
So geht das.
Durchhalten.



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