Ich bin so zornig

Ich bin so zornig.
Es ist so anstrengend gerade.
Ich kann nicht einfach weg gehen, ich muss aufräumen und mich positionieren, damit es wieder besser wird.
Grenzen ziehen ist der Auftrag. Zuhause mit dem herrlichen Kind und im Job mit den Patienten. Grenzen, die Sicherheit geben. Und die glasklar kommuniziert werden. Und halten.
Ich merke, wie wenig ich das möchte.
Möchte den Konflikt vermeiden.
Möchte lieber, dass alles friedlich und harmonisch ist. Möchte nicht so kämpfen und nicht so viel Nein sagen. Eigentlich.

Meine Grenzen. Das ist der Auftrag jetzt an mich. Den Raum füllen mit mir und meine Grenze ziehen, um nicht wieder unter fremder Regie zu leben, beschäftigt mit fremden Konflikten bis ich nichts mehr erkenne, weil alles so fremd ist.
Immer ist das passiert. Und dann bin ich explodiert, bin ausgebrochen, bin weg gegangen, habe unverständlich reagiert. Zurück geblieben ist ein trauriger Expartner, der nicht versteht.
Weil ich nicht klar machen konnte, an welcher Stelle der Übergriff begonnen hat.

Es gibt fast keine intakte Grenze derzeit.
Überall hat jemand ein Bedürfnis platziert, einen Anspruch, einen Auftrag. Das herrliche Kind allen voran, der herzvolle Vater, die Patienten, die Klinik mit ihrer Struktur.
Ich soll bitte das, möchte einmal eben dies, muss so und darf nicht anders. Muss und soll. Darf nicht.
Ich wünsche mir für mein Privatleben Menschen, die ihre Entscheidungen treffen, selbstständig, aus ihren Überzeugungen heraus, aus ihren Gefühlen heraus. Unter Umständen falsche Entscheidungen treffen, die korrigiert werden können. Ich wünsche mir Menschen, die die Konsequenzen tragen ohne sich anzuhängen finanziell, moralisch, emotional. Die in der Lage sind, ein Scheitern als solches zu erleben. Ist das zu viel verlangt? Dieses "dranhängen an" ist exklusiv dem Kind vorbehalten. Nur das Kind darf sich an mir nach oben oder vorwärts ziehen.
Ich will ja "zusammen erleben", aber ich weigere mich zu tragen, was nicht meines ist. Ich kann das. Ich habe das bisher immer gemacht. Mitgetragen. Es hat immer dazu geführt, dass alles gescheitert ist. Ich werde es nicht mehr tun.
Hochziehen, mitschleppen, stabilisieren als Konzept. Als Grundannahme in Beziehungen. Trag bitte das, damit ich dies. Eingewickelt wird diese Zumutung in die Ehe, die Romantik, die Familie, in wehende Fahnen, in maximale Verbundenheit. Wie könnte frau das ablehnen. Sich gegenseitig tragen. Ich muss vom Stuhl aufspringen vor Ablehnung. Nein. Das will ich nicht. Genau das nicht mehr.

Sich ermutigen, selbst zu gehen, selbst zu entscheiden, selbst zu tragen. Dabei miteinander sein. Aber nicht als Krücke, nicht als Bedingung. Nicht eingreifen. Das Scheitern begleiten. Das Gelingen begleiten.

Es gibt einen Song, der nicht besonders gut ist. Aber einige Zeilen darin sind es: "was ich mich nicht trau', erleb ich nicht". Und später heißt es: "Keiner, der die Welt für mich erlebt. Keiner, der mein Ziel für mich verfehlt. Keiner, der schon weiß, was mich bewegt. Oder meine Sehnsucht für mich trägt."
Ja. So wünsche ich mir das.
Ich habe so ein Verlangen, mein Leben mit meinen Themen zu erleben. Ganz. Und nicht nebenbei, wenn noch Zeit und Energie bleibt, als Randnotiz neben den Themen eines Partners, als Ausnahmeerscheinung in einer Symbiose. Keine Symbiose. Kein Sherpa Dasein mehr. Ich möchte gerade nur von Menschen umgeben sein, die in der Lage sind, ihr Leben zu erleben. Im Verfehlen und im Erreichen.
Selber.
Es durchspüren können. Davon erzählen wollen. Es aushalten. Sich widmen ohne zu werten, ohne zu verdrehen. Sich einlassen auf den Mangel und die Fülle.

Ich bin nicht mehr zu haben für Anfragen ob ich nicht eventuell dies oder jenes für jemand anderen aufrecht erhalten oder ausschleichen könnte.
Die Antwort ist Nein.
Von jetzt an.
Was man sich nicht traut, erlebt man nicht.

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