Ende der Woche

Ende der Woche. Antibiotikum fast zu Ende genommen. Unendlich müde bin ich. Endlich Feierabend.
Auch dieser Tag war gut. Das herrliche Kind war entspannt. War abends so besonders entzückend, hat nachgespielt, was wir immer und immer wieder in den ewig selben Pixie Büchern lesen. Hat mit Begeisterung einen ganzen Hühnerschenkel gegessen. (Und nichts macht deutlicher, wie viel Österreich in mir steckt, als meine hohe Emotionalität im Bezug aufs Essen, insbesondere aufs Essen und das herrliche Kind. Isst es, bin ich froh. G'scheit essen. Bin sicher, das kommt auch in unserer Bundeshymne vor.)
Dann das Bad, wie jeden Abend. Da hat er plötzlich zu Weinen begonnen, "Aua Popo". Wollte sich nicht setzen. Wollte raus. Auf meinen Arm. War kläglich. Ich habe nicht nachgucken dürfen, habe nur einen Blick erhascht auf seinen kleinen Po, der feuerrot war. Und dann haben wir da gesessen. Auf dem Fussboden. Kind in ein Handtuch gewickelt, "Mama Arm". Er wollte nicht mehr runter von mir, nicht Hörbuch hören, nicht spielen.
Heute Morgen war der Po noch komplett in Ordnung. Ich habe versucht nachzudenken, wie es dazu kommen kann. Habe 27 Horrorszenarien im Kopf, bevor ich einigermaßen geordnet überlege. Was ist, wenn in der Kita. Jemand. Dem Kind weh tut. Der absolute Horror. Ich vertraue blind, ich liebe unsere Kita, ich brauche die Kita. Brauche die Zeit, die sie mir ermöglicht, um zu arbeiten. Ich brauche die Hilfe beim Erziehen. Wir brauchen die Beziehungen, die Erfahrungen, die sie dem Kind bietet. Das Kind könnte uns nicht erzählen, würde ihm dort. Jemand. Weh tun.
Ich frage den herzvollen Vater. Ob er sich erklären kann, was mit dem herrlichen Kind und seinem Po passiert ist. Er sagt, er hat ihn gewickelt. Eskalationsstufe 5 von 5, Kacke überall und maximal klebrig. Er habe mit den neuen Feuchttücher gewischt und gekratzt.
Also möglicherweise eine Allergische Reaktion. Auf die neuen Feuchttücher. Ich denke nur halb und nicht zu Ende, "... und vielleicht zu fest ...". Die ganze Zeit liegt das Kind dabei eingekuschelt auf meinem Schoß.
Ich würde gerne jetzt, in der Sekunde, den Job kündigen und die Kita aufgeben und immer da sein. Um selber zu wickeln. Mit Öl und Wasser den Po zu putzen, wie ich es tue seit Tag 1, weil es mir die Hebamme so eingetrichtert hat. Ich habe den hilflosen Wunsch, von jetzt an bis zu seinem 18. Geburtstag immer da zu sein und aufzupassen. Auf seine Haut. Seine Unversehrtheit. Noch lieber bis zu seinem 35. Geburtstag. Alles überwachen.
Dann lege ich ihn dem herzvollen Vater in den Arm und verarzte ihn mit Wundschutzcreme, mit der silbernen, zähen, wasserabweisenden aus Österreich, die mir meine Mama Komplizin empfohlen hat und die wir noch nie gebraucht haben. Das macht es besser. Für ihn.

Jetzt schläft er.
Und ich bräuchte Wundschutzcreme für meinen Kopf, innen. Ich möchte nicht, dass irgendjemand ungeschickt herum hantiert an ihm. Beschützen will ich ihn. Ich möchte, dass er in einem Disneyland groß wird, emotional, inhaltlich, bezüglich des Spielangebots. Es soll ihm immer gut gehen. Jeden Tag. Die Haut soll immer heil bleiben. Glücklich soll er sein. Immer.
Das ist absurd. Weiß ich.
Alles andere ist noch absurder, gefühlsmäßig.
Schwer ist das. Das Grenzen ziehen. Das erziehen. Das Nein sagen und frustrieren. Noch schwerer ist es, das herrliche Kind seine Erfahrungen machen zu lassen. Von "dieses Feuchttuch vertrage ich nicht" bis zu - ja, bis zu allem anderen. Blaue Flecken, Schürfwunden, gebrochenes Herz.
Ich gucke ihn mir an. Wie er da liegt und schläft.
Und bin froh, dass er die nächsten Stunden einfach nur mein Baby ist. Auf das ich aufpassen darf. Beschützen darf.
Gerade habe ich noch zu meiner Mama Komplizin gesagt, dass diese Sache mit den Grenzen das neue Schwerste ist.
Und jetzt ist es das: ich kann seine Unversehrtheit nicht gewährleisten. Geht nicht. Soll nicht. Ist nicht vorgesehen.
Das neue Schwerste. Ist heute das.

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