Heute müssen wir zurück

7.00 Uhr. Heute müssen wir zurück.
Wieder in Etappen. Tagesziel Autobahn Hotel.
Ich möchte nicht weg aus Österreich.
Wie jedes Mal. Möchte ich nicht weg.
Bin doch hier irgendwie noch am Zuhausesten. Glaube ich.
Werde nie norddeutsch sein.
Und nichts ist sicher, dort oben.
Keine Wohnung.
Keine Familie.
Die Klinik duldet mich, mehr nicht.
Momentan ist es ungastlich dort.
Erstmal Kaffee trinken, zusammen packen.

13 Stunden später sitze ich im Autobahn Hotel, wie erwartet Eiche rustikal, ein Stockwerk höher als vor 8 Tagen, selbes Eckzimmer, neu ist die gelbe Wischtechnik an der Wand.
Egal. Alles egal. Ich sehe es ohnehin kaum, ich sehe kaum irgendetwas, weil ich gar nicht aufhören kann zu weinen.
Schrecklich war es heute. Alles.
Der Abschied ganz vermurkst, ich wollte ja weder abfahren noch mich verabschieden. Irgendwann, viel später als geplant, habe ich gedrängt, ganz schnell jetzt, bitte endlich losfahren. Los jetzt. Sofort.
Wollte nicht weinen. Habe es weg gedrückt. Runter geschluckt.
Die Familie wollte zum Abschied winken, stand um das Auto herum, im Auto hat das Kind hysterisch zu plärren begonnen, wollte den Autoschlüssel nicht hergeben, wollte nicht im Sitz sitzen. Wollte nicht. Niemand wollte. Ich habe ihn nochmal in den Arm genommen, im Auto sitzend, absurd, alle um uns herum stehend, habe sie weg geschickt, unwirsch, vor lauter Nicht-Wollen.
Dann losfahren. Verkrampft am Lenkrad festhalten. Kinn nach oben, damit keine Träne raus läuft aus den Augenwinkeln. Nach innen sind sie gelaufen, konzentriert habe ich sie nach innen laufen lassen. Verkrampft. Konnte mir nicht vorstellen, wirklich über die Grenze zu fahren, wirklich hierher zu fahren, um morgen weiter, zurück zu fahren. Wofür eigentlich. Ich bin nicht Zuhause dort. Habe kein Zuhause mehr dort. Habe die ganze Zeit gedacht, gleich fahre ich ab. Nehme die nächste Abfahrt. Bleibe hier. Einfach bleiben.
Vor der Grenze Stau. Das Kind hat geweint, Mama Arm. Ich habe meinen rechten Arm nach hinten gestreckt, seine Hand gehalten.
Und dann. Habe mir nicht sagen müssen in diesem Moment, reiß dich zusammen. Das ist irgendwie von selber passiert, dass ich Haltung angenommen habe. Meine Haltung wieder eingenommen habe, meine Rolle. Die ich habe, wenn wir wieder alleine sind. Ich wieder alleine bin.
Aufgespannt zwischen Fahrersitz und Rückbank, im ersten Gang über die Landesgrenze kriechend, verkrampft.
Innen die ganzen Tränen. Hochwasser innen, habe es als Oberwasser verkauft. Mir. Dem herrlichen Kind. Habe mich reden gehört, beruhigend, zuversichtlich. Habe mir gedacht, gelernt ist gelernt. Deeskalieren. Haltung.
Zähne zusammen beißen.
Der Gott des Zähnezusammenbeißens.
Und das Kind ist eingeschlafen.
Und ich bin gefahren. Gefahren. Gefahren.
Jetzt sind wir hier.
Ich bin traurig. Am traurigsten.
Ich habe Heimweh mit jedem Muskel.
Ich habe Angst.

Um den Boden unter meinen Füßen schreibe ich hier.
Solange ich es aufschreibe, hat es mit mir zu tun. Das hier. Diese Fahrt. Das derzeit so ungastliche Dort.
Das Oberwasser ist keines, es weint sich von selbst aus mir heraus. Wie ein Kind weine ich hier, fühle mich untröstlich. Weiß doch.
Wenn es sich so anfühlt, ist es auch nicht wahr. Nicht so. Nicht so absolut.
Deshalb werde ich jetzt auch versuchen zu schlafen. Auf den klugen Morgen hoffen.
Wie immer.
Kaffee trinken. Weiter machen.
Day by day, wie meine kluge, lustige, herzwarme Freundin aus Kansas sagt. Deep breaths.




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