Antarktis, Skizze #3

Die Lehranalyse mache ich weiter, schaffe ich leidlich regelmäßig, ich versuche Worte zu finden dort, für meine Antarktis. Ich übe es auszusprechen. Was in mir passiert. Worauf ich nicht vorbereitet war. Wofür es keinen Grund gibt. Keine Erklärung.
Ich habe doch nur ein Kind. Nur eins. Ein gewünschtes Kind. Abstillen hat geklappt. Der Körper sieht beinahe aus wie vorher. Es ist doch alles ideal. Was ist denn los mit mir? Ich bin verzweifelt wegen mir. Versuche zu verstehen.
Das Gute am Schwierigen ist, dass alles sehr bewusst passiert.
Wir sind sehr miteinander, das herrliche Kind und ich. Das bringt viel Innigkeit. Ich kenne ihn nun, ich kenne mich aus mit ihm. Nun. Solange es nur wir sind, keine Aufgabe, kein Zeitdruck, kein Termin, kein Störendes, geht es mir besser. Manchmal schon gut. Solange.
Sobald es nicht nur wir sind, ist es anders.  Unsicher. Mehr Anspannung. Und richtig schlimm ist es vor allen Dingen dann, wenn ich mit anderen Müttern bin.
Andere Mütter haben zwei Kinder. Machen Karriere, arbeiten an diesen Karrieren in ihrer Elternzeit. Sind jeden Tag verabredet, fahren dafür durch die ganze Stadt, bereiten dafür einen Brunch vor, besorgen dafür Geschenke. Sind jemand, mit gemachten Nägeln, mit klaren Meinungen, mit energischen Bewegungen und Terminen in eigener Sache und haben eben auch Kinder.
Manche andere Mütter sagen, du bist zum ersten Mal Mama, stellst dich an, sagen, du hast zu viel Zeit, beim 2. oder 3. Kind ist für solche Befindlichkeiten keine Platz mehr. Oder sagen, meine Güte, du sitzt aber auf deinem Kind, du musst loslassen. Oder sagen, du verwöhnst das Kind, lass ihn doch einfach einmal schreien. Ich sitze da, mein herrliches Kind auf meinem Schoß, kann nichts erwidern. Ich schäme mich, treffe sie weniger, nur noch an guten Tagen. Frage mich, warum ich es nicht besser mache. Bin angespannt. Weine. Immer wieder Weinen. Die blöden Tränen. Machen sich selbstständig, ich kann sie nicht stoppen. Ich sage Freunden ab an den schlechten Tagen, wenn es nicht zu schaffen ist eine verabredeten Zeit einzuhalten. Ich erfinde Ausreden. Ich kann es nicht in Worte fassen. Dass es nicht geht. Es gibt keine Worte. Dafür nicht. Treffe eine Freundin zufällig beim Einkaufen, freue mich so, schäme mich so, bin sehr verwirrt, kann während des ganzen Gesprächs nicht aufhören zu weinen. Immer Weinen. Besser, nicht auf mich zu treffen.
Besser, nur zu zweit sein. Ohne ein Störendes. Dann geht es mir besser.
Die schönen Momente sind mir bewusst. Und doch. Auch dann. Ein Saum an Besorgnis. Wenn alles friedlich ist, er froh ist, bleibe ich einfach ihm auf dem Boden sitzen. Ich befürchte, er könnte irritiert sein, die Ruhe könnte gestört werden, oder alles, einfach alles könnte aus dem Ruder laufen, wenn ich aufstehe und die Wäsche aufhänge oder mir ein Glas Wasser hole. Ich bleibe sitzen, die Wäsche bleibt in der Maschine, der Durst hört auf.
Ich übe im Zu-zweit-sein die Struktur zu halten. Regelmäßigkeit. Morgens Kaffee, dem Kind ein Fläschchen geben, Babykaffee. Dann anziehen, ihn, mich. Das dauert, warum auch immer, aber das tut es. Jeden Vormittag spazieren. Dann essen. Spielen. Ein Schläfchen zu Hause. Dann essen, raus gehen. Spielen. Dann essen, baden. Bett. Jeden Tag. Ich schaffe sonst nichts. Ich versuche es nicht mehr. Ich übe Struktur. Um in der Sache, in der Mutter-Sache irgendeine Art von festem Boden zu finden. Zu zweit. Trägt es. Solange nichts dazu kommt. Keine Aufgabe, kein Termin, keine Veränderung. Nur wir und unser Alltag. Das genügt erstmal.
Auch dafür habe ich keine Worte damals.
Unmöglich zu erklären. Dass meine Bewegungen im Außen so haarfein sind, im Innen so stark ausschlagen.
Wie erklären, dass ich so an unseren Rhythmen hänge. Weil alles davon abhängt. Wie erklären, dass ich keine spontanen Verabredungen mag, keine Tages-Ausflüge mag, keine Treffen weit weg von unserer Wohnung mag. Und wenn so eine Unternehmung, dann nur mit dem herzvollen Vater, der alles macht und plant. Ich nur dabei. Angespannt und froh, wenn wir zurück sind. Das macht alleine, aber alleine geht es besser. Mir geht es mit dem Kind alleine besser, weil ich dann üben darf, die kleinen Routinen, die feste Struktur. Weil ich dann nicht so tun muss, als wäre alles leicht und selbstverständlich und nebenbei, wenn es doch oft geübt werden muss, alles. Was jetzt funktioniert. Habe ich geübt und neu gelernt. Am besten nur zu zweit, weil ich ihn dann einfach so lieb haben darf, wie ich das eben mache und immer wieder still sitzen darf, bei ihm und spüren, wie gut "Gut" ist, wenn es dann ist.

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